Die
wirtschaftliche Entwicklung in Grossbritannien ist seit dem Ausbruch der
Finanzkrise von 2008 aufschreckend schlecht.
Doch während
sich das Land auf die Wahlen vorbereitet, präsentieren sich die Politiker der
Koalitionsregierung, die über Grossbritannien seit 2010 befinden, als die Hüter
des Wohlstands, als die Leute, die es wirklich wissen, wie die Wirtschaft funktioniert,
schreibt Paul Krugman in seiner
lesenswerten Kolumne („Economics and
Elections“) am Montag in NYTimes.
Und sie
kommen damit im Grossen und Ganzen gut weg. Wähler haben nämlich ein ziemlich
kurzes Gedächtnis und sie beurteilen die Wirtschaftspolitik aufgrund des
gegenwärtigen Wachstums.
Die Bilanz der Koalitionsregierung war über fünf Jahre
hinaus schrecklich. Es sieht aber seit ein paar Quartalen ziemlich gut aus. Und das
ist, was in der Politik zählt, legt Krugman kritisch dar.
Das ist ein
erschütterndes Ergebnis.Weil es besagt, dass es keine oder nur geringe
politische Belohnung für gute Politik gibt. In der Tat deutet alles darauf hin,
dass es politisch schlau wäre, das Land während der ganzen Amtszeit einer
sinnlosen Depression auszusetzen, nur um damit einen Spielraum für eine schwunghafte
Erholung der Wirtschaft zu schaffen, und zwar kurz bevor die Wähler wieder an
die Urnen gehen.
Das ist im
Grunde genommen eine ziemlich gute Beschreibung dessen, was die derzeitige
britische Regierung laut Krugman getan hat, obwohl es nicht klar ist, ob es
beabsichtigt war oder nicht.
Der Punkt
ist also, dass die Wahlen, die angeblich die Politik zur Rechenschaft ziehen
sollten, diese Funktion scheinbar nicht gut erfüllen, wenn es um die
Wirtschaftspolitik geht. Kann aber etwas dagegen unternommen werden?
Grossbritannien:
Austerität und Wirtschaftswachstum im Streudiagramm, Graph: Prof. Paul Krugman in NYTimes
Eine
mögliche Antwort ist, Wirtschaftspolitik aus dem politischen Raum zu trennen
und an eine überparteiliche Elite-Kommission zu übertragen, so Krugman weiter.
Dies setzt jedoch voraus, dass die Eliten wissen, was sie tun. Schliesslich
haben amerikanische Eliten mehrere Jahre im Bann von Bowles-Simpsonism, einer
völlig unangebrachten Besessenheit für Haushaltsdefizite verbracht.
Und die Eliten
in Europa waren mit ihrem Einsatz zugunsten von Austerität, die viel Schaden angerichtet
hat, sogar noch schlimmer, wie der am Graduierten Zentrum der City University New York (CUNY) lehrende
Wirtschaftsprofessor beschreibt.
Grossbritannien:
Der strukturelle Haushaltssaldo (structural
primary balance), Graph: Prof.
Paul Krugman in NYTimes
Eine
bessere, demokratischere Antwort wäre daher, eine besser informierte
Wählerschaft zu suchen, damit die Berichterstattung über die Wirtschaftsfragen
wesentlich verbessert wird. Aber die Politologen würden sich über die Idee
lustig machen, ob sie überhaupt viel Unterschied machen würde.
Was sollen
dann diejenigen von uns, die Wirtschaft studiert haben und sich darum kümmern,
was in der realen Welt geschieht, tun? Die Antwort lautet sicherlich, dass wir
unsere Arbeit tun sollen: versuchen, es richtig zu machen und unsere Antworten
darauf so klar wie wir können, erklären.
Realistisch
betrachtet ist die politische Wirkung i.d.R. am besten nur marginal. So soll es
sein. Wahlen ermitteln, wer die Macht hat, nicht wer die Wahrheit hat, hält
Krugman als Fazit fest.
PS: Man nennt es strukturelles Budgetdefizit (structural budget balance), wenn die Staatsausgaben über einen längeren Zeitraum stärker steigen als das Steueraufkommen. Wenn wir die Zinszahlungen nicht berücksichtigen, erhalten wir structural primary balance. Und wenn wir die Auswirkungen der einmaligen Haushaltsmassnahmen wie z.B. Erlöse aus Privatisierungen und Steueramnestie auslassen, bekommen wir underlying primary balance.
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