Amerika hat sich
aus der Finanzkrise noch nicht vollständig erholen können. Trotzdem scheint es
fair, zu sagen, dass wir bislang einen grossen Schritt nach vorne getan haben, wohlgemerkt,
dass bei weitem nicht alles am verlorenen Boden wieder gutgemacht werden
konnte, schreibt Paul Krugman in
seiner lesenswerten Kolumne („That
old-time economics“) am Freitag in NYTimes.
Das gleiche
kann aber für die Eurozone nicht gesagt werden, ergänzt der am Graduierten
Zentrum der City University New York
(CUNY) forschende Wirtschaftsprofessor. Warum hat Europa so schlecht
abgeschnitten? In den vergangenen Wochen gab es eine Reihe von Reden und
Artikeln, die darauf hindeuten, dass das Problem in der Unzulänglichkeit
unseres Wirtschaftsmodells liege. Die makroökonomische Theorie habe es
versäumt, eine nützliche politische Orientierung zu bieten.
Ist dies
aber die wirkliche Geschichte, die dahinter steckt? Nein, sagt Krugman. Modelle
in den Standard-Lehrbüchern haben sich sehr gut entwickelt. Das Problem ist,
dass die politischen Entscheidungsträger entschlossen waren, diese Grundmodelle
zugunsten von alternativen Ansätzen, die innovativ, spannend und völlig falsch waren,
zurückzuweisen, argumentiert Krugman.
In Amerika
sind das Weisse Haus und die Fed dem Standard Keynesianismus treu geblieben.
Inzwischen ignoriert die US-Notenbank die ominösen Warnungen, dass der
US-Dollar vollkommen entwertet werde.
In Europa
hingegen waren die politischen Entscheidungsträger bereit und eifrig, Standardbücher über die Volkswirtschaftslehre zugunsten von neuen Ansätzen aus
dem Fenster zu werfen.
Die
Europäische Kommission hat eifrig die angebliche Evidenz für „expansive
Sparpolitik“ (expansionary austerity) aufgegriffen. Die EZB hat die
Warnungen vor Inflation sich zu Herzen genommen und die Zinsen 2011 angehoben, obwohl die Arbeitslosigkeit noch auf hohem Niveau verharrte.
Europäische
Politiker suchten nach Rechtfertigungen, um den harschen Kurs aus politischen
und ideologischen Gründen den Schuldnerstaaten entschlosen aufzuerlegen. Und sie verehrten Ökonomen wie Harvard’s Alberto Alesina, Carmen Reinhart und Kenneth Rogoff, die
diese Rechtfertigung bereitzustellen liefern schienen. Wie es sich
herausstellte, war die spannende neue Forschung zutiefst fehlerhaft, auf eine
oder andere Weise, erklärt Krugman weiter.
Und während
neue Ideen abgestürzt sind und brennen, gewinnt die old-time Volkswirtschaftslehre nach und nach an Kraft.
Der Punkt
ist laut Krugman, dass es falsch ist, zu behaupten, dass die Wirtschaftspolitik
gescheitert sei, weil die ökonomische Theorie nicht hervorragende
Orientierungshilfe geboten habe, die die Politiker gebraucht hätten. In der
Wirklichkeit hat die Theorie ausgezeichnete Handlungsempfehlungen geboten, wenn
nur die Politik ein offenes Ohr gehabt hätte. Die Politiker waren leider nicht
bereit, hinzuhören. Und sie sind heute immer noch nicht so weit.
Wenn Sie
sich wirklich deprimiert über die Zukunft Europas fühlen wollen, lesen Sie den Meinungsartikel von Wolfgang Schäuble, dem deutschen Finanzminister in
NYTimes am Mittwoch. Es ist eine glatte Ablehnung von allem, was wir über die
Makroökonomie wissen, und von allen Erkenntnissen, die die europäische
Erfahrung in den letzten fünf Jahren bestätigt. In der Welt von Schäuble führt
die Austerität zum Vertrauen, Vertrauen schafft Wachstum und wenn es in Ihrem Land
nicht funktioniert, dann ist es so, dass Sie es nicht richtig machen.
Zurück zu
der Frage der neuen Ideen und ihrer Rolle in der Politik legt Krugman dann dar,
dass es schwer sei, gegen die neuen Ideen im Allgemeinen zu diskutieren. In den
letzten Jahren waren jedoch innovative wirtschaftliche Ideen, weit davon entfernt,
eine Abhilfe zu schaffen, sondern ein Teil des Problems.
Hätten wir an der Makroökonomie
aus der alten Zeit, die besser ist als je zuvor, festgehalten, wären wir heute
viel besser dran, hält Krugman als Fazit zu der in der amerikanischen
Blogosphäre erneut entfachten Diskussion über die Rolle der Wirtschaftsmodelle
im Zuge der Great Recession fest.
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