(Wonkish)
Steve Keen hat vergangene Woche eine neue Forschungsarbeit („Instability in Financial Markets“)
vorgelegt. Der an der University of
Western Sydney lehrende Wirtschaftsprofessor wird das Paper am 12. April auf
der INET Konferenz in Berlin präsentieren.
Keen beginnt seine Analyse mit
einem Überblick über Minsky, weil Hyman Minskys
Hypothese über die finanzielle Instabilität seiner Angaben nach eine der
wichtigsten Grundlagen für seinen Ansatz für Wirtschaftswissenschaften
darstellt.
Minskys
Theorie der Instabilität ist heute wieder in aller Munde, v.a. wegen des „Minsky Moments“ vom Ende 2007.
Keen bedauert jedoch, dass ein besseres Verständnis des Erklärungsansatzes von
Minsky, wie z.B. die Subprime-Krise überhaupt passieren konnte, in den
Forschungsarbeiten von Paul Krugman
(„Debt, Deleveraging and the Liquidity
Trap“) fehle.
Nun
schenken neoklassische Ökonomen im Sog der Finanzkrise Minskys Theorie der Instabilität einige
Aufmerksamkeit. Und es gab zumindest einen Versuch, ein neues keynesianisches
Modell gestützt auf Minskys Hypothese (Debt Deflation) zu bauen, legt
Keen mit Hinweis auf Krugmans Forschungsarbeit („Debt, deleveraging, and the liquidity trap“)
dar. Aber Keen bemängelt in Krugmans Arbeit jede Spur von Anerkennung der
Theorie der Instabilität.
Was
Keen z.B. Paul Krugman konkret ankreidet, ist, dass die Anhänger der
neoklassichen Wachstumstheorie (wie Krugman) zwar Minsky lesen, und
darauf hin ein Gleichgewichtsmodell bilden, aber Banken in die Modellen nicht miteinbauen.
Dies als Minsky-Modellierung zu nennen, ist Keens Ansicht nach falsch, weil
damit ein Gleichgewichtsmodell mit Besessenheit nach „Walrasianischen Handpuppen“
erstellt werde, wie es eigentlich auch mit Keynes gestützt auf das DSGE-Modell
geschehe.
Krugman
findet solche Debatten grundsätzlich „immer positiv“ und bedauert, dass er die
Berliner Konferenz (April 2012) aus „häuslichen Pflichten“ nicht besuchen kann,
wie er in seinem Blog zum Ausdruck
bringt. Der Träger des Wirtschaftsnobelpreises (2008) bietet jedoch einige
kurze Notizen, was ihm dabei verwirrend vorkommt und warum er im Keens Sinne
nicht ein echter „Minskyite“ sein kann.
Krugman
beteiligt sich an Diskussionen wie „Was Hat Minksy Wirklich Gemeint?“ oder „Was
Hat Keynes Wirklich Gemeint?“ grundsätzlich nicht.
(1) Die Ideengeschichte ist zwar ein schönes Unterfangen. Aber der Grund, alte
Bücher zu lesen, liefert aus Sicht der Arbeit der Ökonomen „bloss“ Einsicht,
nicht Autorität. Wenn etwas, was Keynes oder Minsky gesagt hat, hilft, eine
Idee im Kopf zu kristallisieren, ist es wirklich gut. Aber wenn Sie die Idee
ganz anders holen, als der grosse Mann woanders in seinem Buch gesagt hat, ist
es im Grunde genommen egal. Denn es geht um die Wirtschaftswissenschaften,
nicht Talmundwissenschaft, schildert Krugman eindrucksvoll.
(2)
Die Frage ist, wie man Wirtschaftswissenschaften betreiben soll?
Krugman
hat eigene Regeln für die Forschung. Im Mittelpunkt steht Einfachheit. Der an
der Princeton University lehrende
Wirtschaftsprofessor sucht immer nach der einfachsten Darstellung, wenn er
versucht, über die Wirtschaft etwas zu berichten. Das Ziel ist, insbesondere
anzugeben, welche Annahmen wirklich von entscheidender Bedeutung sind, damit
man sich selbst kontrollieren kann, ob die impliziten Annahmen einer klaren Überprüfung
standhalten oder nicht.
Keen
scheint dies laut Krugman nicht zu tun. Keens Forschungsarbeit enthält eine
Reihe von Aussagen, die wichtig seien, aber ohne viel Erklärung, warum sie von
entscheidender Bedeutung sind.
Im
Besonderen besteht Keen darauf, dass die Banken
in dieser Angelegenheit von wesentlicher Bedeutung sind. Krugman ist der
Ansicht, dass der Bankensektor in die Geschichte eingeschlossen werden soll, wo
es relevant ist. Warum es aber so wichtig sein soll, wie Keen behauptet, in
Bezug auf die Verschuldung und die Schuldenaufnahme (leverage), leuchtet Krugman nicht ein.
Keen
sagt, weil, wenn man die Banken in das Modell einschliesst, die Kreditvergabe
die Geldmenge erhöhe. Na, gut, was bedeutet das aber? Keen scheint laut Krugman
anzunehmen, dass die gesamtwirtschaftliche Nachfrage nicht zunehmen kann, es
sei denn, die Geldmenge steigt. Das trifft aber nur dann zu, wenn die
Umlaufsgeschwindigkeit des Geldes fest ist, hebt Krugman hervor. Auch im Modell
von Krugman und Gauti wird davon ausgegangen, dass
die Kreditvergabe die gesamtwirtschaftliche
Nachfrage erhöhen kann. Wo ist aber das Problem?
Keen
geht sogar dazu über, zu behaupten, dass die Kreditvergabe per definitionem eine Ergänzung zu der
gesamtwirtschaftlichen Nachfrage ist. Krugman ist damit nicht einverstanden.
Wenn man beschliesst, seine Ausgaben zu kürzen und das Geld in die Bank zu
bringen, verleiht die Bank das Geld als Kredit an jemanden anderen weiter, was
aber nicht bedeutet, dass es damit netto zu einem Anstieg der Nachfrage kommt.
Krugman
schildert weiter, dass es einige (viele) Fälle gibt, wo die Kreditvergabe mit
einer höheren Nachfrage einhergeht, da die Ressourcen an Menschen übertragen
werden, die eine höhere Neigung haben, die Ausgaben zu erhöhen. Keen scheint jedoch
sagen zu wollen, dass die Schaffung von Geld = Schaffung von Nachfrage ist. Das
trifft nicht zu. Das ist in keinem Modell der Fall, unterstreicht Krugman mit
Nachdruck.
Fazit: Was Krugman nahelegt, ist, dass es
dabei allem Anschein nach eine Menge implizite Theorien (implicit theorizing) gibt und die impliziten Theorien nicht viel
Sinn machen. Es ist zudem wichtig, in einem einfachen Modell, deutlich
vorzulegen, welche Annahmen getroffen werden, und aufzuklären, woraus man seine
Schlussfolgerungen zieht.
PS: Sowohl Austrians, die denken, dass
der Markt alles richtig macht, als auch die selbsternannten Anhänger von Minsky sehen Banken als Institutionen, die irgendwie
die Regeln, die für die gesamte Wirtschaft gelten, aussen vor lassen. Und die
Banken haben demnach einzigartige Kräfte sowohl für das Gute als auch für das
Böse.
Die
Banken sind klug, aber irgendwie eine gefährliche Form der Kreditvermittlung (financial intermediary), welche das
Gesetz der grossen Zahlen ausschöpfen, um ein besseres Trade-off zwischen Liquidität und Ertrag zu liefern. Dies geschieht
aber auf Kosten eines hohen Einsatzes von Fremdkapital (leverage), was hohe Risiken in sich birgt, beschreibt Krugman.
Die
Banken ändern aber an den grundsätzlichen Ideen in Bezug auf die Zinssätze, die durch das
Liquiditätspräferenzmodell (liquidity
preference) des Zinssatzes und durch das Modell des Kreditmarktes (loanable funds model) bestimmt werden,
nichts. Krugman hebt zugleich hervor, dass tatsächlich die beiden Theorien gemeint sind, weil sie laut IS-LM-Modell, wenn sie angemessen
verstanden werden, richtig sind. Die Banken schaffen keine Nachfrage aus der
Luft, nicht mehr als jeder andere, der entscheidet, seine Ausgaben zu erhöhen.
Und die Banken sind nur eine Verbindung zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer,
fasst Krugman zusammen.
PPS: Hyman Minsky betrachtet in seiner
Theorie der Instabilität die Finanzkrisen wie die gegenwärtige nicht als Schock
von aussen, sondern als ein Merkmal des Wirtschaftssystems. Und das
Finanzsystem neigt von sich aus zur Instabilität. Mehr dazu bietet Wolfgang Münchau in seinem lesenswerten
Buch „Makro Strategien“ in einem speziellen
Abschnitt.
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