Sonntag, 11. März 2012

Ist der Anstieg der Ungleichheit ein globales Phänomen?

Allan Meltzer behauptet in einem Artikel („A Look at the Global One Percent“)  in WSJ, dass der Anstieg der Ungleichheit in den USA einen Anstieg der Ungleichheit in anderen Ländern widerspiegelt.

Meltzers Hauptargument ist also, dass Top 1% seinen Anteil am nationalen Einkommen so ziemlich überall auf der Welt erhöht habe und dass die Ursachen dafür in globalen Trends gesucht werden sollten.

Daron Acemoglu und James Robinson erklären (h/t to Mark Thoma) in einem Artikel („Is the One Percent the Same Everywhere?“) als Antwort darauf, warum die Behauptung nicht stand hält. Es stimme, dass es wichtige globale Trends gebe, aber nichts davon sei (sehr) umstritten, schreiben Acemoglu und Robinson.

Aber Meltzer behauptet mehr als dies, dass z.B. diese Trends den Anstieg des Anteils des obersten 1% in den USA ausmachen. Dies ist viel umstrittener.

Erstens ist das Buch („Top Incomes in the Long Run of History“) über den Anteil des obersten 1%, das von Anthony Atkinson, Thomas Piketty und Emmanuel Saez geschrieben worden ist, eine sehr sorgfältige und gewissenhafte Arbeit. Die Autoren zeigen, dass die USA (zu einem gewissen Grad auch Grossbritannien) sich von anderen Ländern in Bezug auf das Aussmass des Aufstiegs des Top 1% Prozents des Volkseinkommens deutlich unterscheiden.


Anteil des Top 1% am Einkommen, Graph: Daron Acemoglu und James Robinson

Zweitens sind die Unterschieden zwischen den Ländern holpriger, wenn man auf den unteren Rand der Einkommensverteilung schaut. Es scheint kein Äquivalent der 40-jährigen US-Stagnation der mittleren Löhne (median wages) in Europa zu geben.

Drittens ist es nicht klar, wie die Veränderungen in der Nachfrage nach Qualifikationen die Explosion der Vergütung für die sehr, sehr Reichen erklären. Haben der technologische Wandel und der Handel mit China die Nachfrage nach den Fertigkeiten, die einzigartig von Anleihehändlern und Enron-Managern besessen werden, so viel gesteigert?

Fazit: Es gibt wesentliche Unterschiede zwischen den Ländern, was die Trends der Ungleichheit betrifft, und es ist alles andere als offensichtlich, dass all diese Veränderungen durch globale Trends erklärt werden können. Es besteht daher einen glaubhaft gemachten Sachverhalt, dass andere Faktoren (und ja, inländischer und politischer Art) auch eine wichtige Rolle bei der Zunahme der Top Ungleicheit in den USA gespielt haben. Dieses Thema wird im Übrigen in diesem Interview angeschnitten.

Ferner: Paul Krugman kann es nicht fassen, wie Meltzer behauptet, dass das Top 1% überall auf der Welt, sogar in Schweden steil ansteige, und deshalb keine richtige politische Frage darstelle.

Der Träger des Wirtschaftsnobelpreises liefert in seinem Blog die folgende Abbildung. Bilder sagen mehr als tausend Worte.



Top 1% USA versus Schweden, Graph: Prof. Paul Krugman

Ja, das oberste Prozent ist in Schweden ein wenig gestiegen. Aber wie kann man die beiden Fälle über einen Kamm scheren?


PS:

Allan Meltzer ist Professor für Staatswissenschaften an der Carnegie Mellon University.

Daron Acemoglu ist Professor für Wirtschaftswissenschaften an der MIT.

James Robinson ist Politikwissenschaftler und Ökonom, Professor an der Harvard University.

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