Sonntag, 11. Oktober 2015

The Future of the Euro

Buchbesprechung:

Matthias Matthijs and Mark Blyth: The Future of the Euro, Oxford University Press, Oxford, New York, Sept 2015.

Matthias Matthijs and Mark Blyth wollen wissen, was die Euro-Krise verursacht hat. Zweites wollen sie feststellen, wie die institutionelle Ausgestaltung, die auf dem Euro laste, auf lange Sicht korrigert werden kann. Und sie wollen drittens die Zukunft der Gemeinschaftswährung auskundschaften.

Die beiden Volkswirtschaftler verwenden dazu einen Ansatz a lá Project Management: “divide et impera”. In der ersten Phase (denken), wo sie die Initiierung (Vorprojekt) und Planung (Konzept) übernehmen, stellen sie offene Fragen: wie, was, wo, wann, wer usw? Als Antwort liefern sie Erklärungen, Rechtfertigungen und Schuldzuweisungen. 

In der zweiten Phase (handeln) überlassen sie die Realisierung (Durchführung) acht Europa-Experten (“work packages”), wo sie geschlossene Fragen stellen, um dann den gesamten Prozess selbst abzuschliessen.

Der rote Faden des Buches ist das unvollständige institutionelle Rahmenwerk der EMU. Das heisst, dass im Mittelpunkt der Analyse die institutionelle Ausgestaltung der Eurozone steht, die unzulänglich bzw. mangelhaft ist.

Was immer wieder betont wird, ist, dass die grösste Herausforderung der Eurozone nicht daran liegt, dass sie suboptimal ist, sondern daran, dass das institutionelle Gerüst ein besonders politisches Problem darstellt:

Die Euro-Architektur ist für alle Widrigkeiten und Verzerrungen in der Eurozone verantwortlich, nicht die einzelnen Mitglieder, so der Grundtenor des Buches im Grossen und Ganzen.

Der Ausgangspunkt ist nicht die Theorie des optimalen Währungsraums (OCA: optimum currency area), sondern die, was Kathleen R. McNamara ECA (embedded currency area) nennt:

Die Gemeinschaftswährung ist von sozialen und politischen Institutionen “entbettet”. Es fehlt an politischen Institutionen, nach der Maxime von Karl Polanyi: Märkte funktionieren nur, wenn sie in grosse formelle und informelle Institutionen von politischen Behörden eingebettet sind.

Dass die EMU nach Plan mit numerischen Zielen für z.B. Inflation, Haushaltsdefizit und Verschuldung funktionieren soll, wird zwar unter der Rubrik “Schwächen” behandelt. Aber die Tatsache, dass einige Länder in der EMU entgegen ratio legis (Sinn und Zweck der EU-Norm) über und manche unter ihren Verhältnissen lebten, wird nicht explizit angekreidet.

Für Deutschland z.B. wird öfters viel Verständnis geäussert: Das Land habe sich einer politischen Zwangslage (die Wiedervereinigung, die Globalisierung, die Wählerschaft, die überzeugt werden müsse usw.) befunden. Die Auseinanderdriftung der Lohnstückkosten in der EMU sei auf die Kapitalbewegungen zurückzuführen. Das ist ziemlich fadenscheinig und intellektuell nicht redlich, v.a. wenn man nach der Ursache der Euro-Krise sucht. Sonst macht ja die ganze Übung keinen Sinn.

Deutschland würde liebend gern die Problematik lösen. Aber es entschied, dass keine Option vorrangig sei, was den von Berlin angeschlagenen (wirtschaftspolitischen) Kurs betreffe. Und Deutschlands Besessenheit mit Moral Hazard-Problem in Europa erschwere es daher, eine Lösung zu finden. Wer’s glaubt, wird selig.

Was die Euro-Zukunft betrifft, nehmen die Autoren den CER Bericht (“How to finish the euro house”) von Philippe Legrain an. Der ehemalige wirtschaftspolitische Berater des EU-Kommissionspräsidenten denkt, dass die Eurozone auf dem Weg in Richtung einer Kombination aus einer deutschen und technokratischen Union ist, was aber aus Sicht der Autoren nicht den Ideal-Fall darstelle.

Legrain schlussfolgert, dass der gegenwärtige Weg Europas zur einer endgültigen Auflösung des Euro führen kann. Der britische Ökonom hält es aber für möglich, dass eine neue Krise eine politische Dynamik auslösen könnte, eine fiscally federal Eurozone zu schaffen.

Matthijs und Blyth ergänzen, dass die Zukunft der Gemeinschaftswährung in Deutschland, Spanien und Italien entschieden werde. Frankreich habe seine leadership-Position in Europa längst verloren: 

Paris hat seine gouvernement économique nicht durchsetzen können. Die Begründung, die sich im Unterton des Buches bietet, lautet, dass es die schizophrene Strategie (ri-lance) Frankreichs (besonders unter Nicolas Sarkozy) war, in einer engen Zusammenarbeit mit Angela Merkel eine Mischung aus Austerität und Keynesian Wachstumspolitik anzustreben, um die Wirtschaft via Innovation und F&E anzukurbeln.

Einer der typischen Fehler beim Projektmanagement ist die mangelnde Flexibilität. Projektmanager dürfen den Blick für das gesamte Projekt nicht aus den Augen verlieren. Das heisst, es soll ständig gefragt werden, was und ob sich etwas am Verlauf ändert.

In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass die latente Wiederholung des in den Medien (leider) immer noch verbreiteten "France-Bashing" ungeschickt ist und dem Buch nicht guttut. Es gehört offenbar zum guten Ton, Frankreichs Wirtschaft bei jeder Gelegenheit zu kritisieren, wenn man die deutsche Wirtschaftspolitik lobt.

Die wesentlichen gegenwärtigen Risiken für den Euro stammen aus dem Versuch, Austerität auf nationaler Ebene und Strukturreform zu vorrangigen Zielen zu erklären, um das Wachstum in Europa anzukurbeln und die politische Reform der EU zu feiern.

Das Buch bietet zum theoretischen Hintergrund einen sorgsamen Einblick in die früheren Formen einer Währungsunion in der Geschichte mit kurzen und prägnanten Darstellungen.





Autoren:

Matthias Matthijs (@m2matthijs): Assistant Professor der International Political Economy an der Johns Hopkins University.

Mark Blyth (@MkBlyth): Professor of International Political Economy and International Studies an der Watson Institute for International Studies an der Brown University.





Keine Kommentare: