Buchbesprechung:
Matthias
Matthijs and Mark Blyth: The Future of the Euro, Oxford University Press, Oxford, New York, Sept 2015.
Matthias Matthijs and Mark Blyth wollen wissen, was
die Euro-Krise verursacht hat. Zweites wollen sie feststellen, wie die institutionelle
Ausgestaltung, die auf dem Euro laste, auf lange Sicht korrigert werden kann.
Und sie wollen drittens die Zukunft der Gemeinschaftswährung auskundschaften.
Die beiden Volkswirtschaftler verwenden dazu einen
Ansatz a lá Project Management: “divide
et impera”. In der ersten Phase (denken), wo sie die Initiierung
(Vorprojekt) und Planung (Konzept) übernehmen, stellen sie offene Fragen: wie,
was, wo, wann, wer usw? Als Antwort liefern sie Erklärungen, Rechtfertigungen
und Schuldzuweisungen.
In der zweiten Phase (handeln) überlassen sie die
Realisierung (Durchführung) acht Europa-Experten (“work packages”), wo sie geschlossene Fragen stellen, um dann den gesamten
Prozess selbst abzuschliessen.
Der rote Faden des Buches ist das unvollständige
institutionelle Rahmenwerk der EMU. Das heisst, dass im Mittelpunkt der Analyse
die institutionelle Ausgestaltung der Eurozone steht, die unzulänglich bzw.
mangelhaft ist.
Was immer wieder betont wird, ist, dass die grösste
Herausforderung der Eurozone nicht daran liegt, dass sie suboptimal ist,
sondern daran, dass das institutionelle Gerüst ein besonders politisches
Problem darstellt:
Die Euro-Architektur ist für alle Widrigkeiten und
Verzerrungen in der Eurozone verantwortlich, nicht die einzelnen Mitglieder, so
der Grundtenor des Buches im Grossen und Ganzen.
Der Ausgangspunkt ist nicht die Theorie des
optimalen Währungsraums (OCA: optimum currency area), sondern die, was
Kathleen R. McNamara ECA (embedded currency area) nennt:
Die Gemeinschaftswährung ist von sozialen und
politischen Institutionen “entbettet”. Es fehlt an politischen Institutionen,
nach der Maxime von Karl Polanyi:
Märkte funktionieren nur, wenn sie in grosse formelle und informelle
Institutionen von politischen Behörden eingebettet sind.
Dass die EMU nach Plan mit numerischen Zielen für
z.B. Inflation, Haushaltsdefizit und Verschuldung funktionieren soll, wird zwar
unter der Rubrik “Schwächen” behandelt. Aber die Tatsache, dass einige Länder
in der EMU entgegen ratio legis (Sinn
und Zweck der EU-Norm) über und manche unter ihren Verhältnissen lebten, wird nicht
explizit angekreidet.
Für Deutschland z.B. wird öfters viel Verständnis
geäussert: Das Land habe sich einer politischen Zwangslage (die
Wiedervereinigung, die Globalisierung, die Wählerschaft, die überzeugt werden
müsse usw.) befunden. Die Auseinanderdriftung der Lohnstückkosten in der EMU sei
auf die Kapitalbewegungen zurückzuführen. Das ist ziemlich fadenscheinig und intellektuell
nicht redlich, v.a. wenn man nach der Ursache der Euro-Krise sucht. Sonst macht
ja die ganze Übung keinen Sinn.
Deutschland würde liebend gern die Problematik
lösen. Aber es entschied, dass keine Option vorrangig sei, was den von Berlin
angeschlagenen (wirtschaftspolitischen) Kurs betreffe. Und Deutschlands
Besessenheit mit Moral Hazard-Problem
in Europa erschwere es daher, eine Lösung zu finden. Wer’s glaubt, wird selig.
Was die Euro-Zukunft betrifft, nehmen die Autoren
den CER Bericht (“How to finish the euro
house”) von Philippe Legrain an.
Der ehemalige wirtschaftspolitische Berater des EU-Kommissionspräsidenten
denkt, dass die Eurozone auf dem Weg in Richtung einer Kombination aus einer
deutschen und technokratischen Union ist, was aber aus Sicht der Autoren nicht
den Ideal-Fall darstelle.
Legrain schlussfolgert, dass der gegenwärtige Weg
Europas zur einer endgültigen Auflösung des Euro führen kann. Der britische
Ökonom hält es aber für möglich, dass eine neue Krise eine politische Dynamik
auslösen könnte, eine fiscally federal
Eurozone zu schaffen.
Matthijs und Blyth ergänzen, dass die Zukunft der
Gemeinschaftswährung in Deutschland, Spanien und Italien entschieden werde.
Frankreich habe seine leadership-Position
in Europa längst verloren:
Paris hat seine gouvernement
économique nicht durchsetzen können. Die Begründung, die sich im Unterton des
Buches bietet, lautet, dass es die schizophrene Strategie (ri-lance) Frankreichs (besonders unter Nicolas Sarkozy) war, in
einer engen Zusammenarbeit mit Angela Merkel eine Mischung aus Austerität und
Keynesian Wachstumspolitik anzustreben, um die Wirtschaft via Innovation und
F&E anzukurbeln.
Einer der typischen Fehler beim Projektmanagement
ist die mangelnde Flexibilität. Projektmanager dürfen den Blick für das gesamte
Projekt nicht aus den Augen verlieren. Das heisst, es soll ständig gefragt
werden, was und ob sich etwas am Verlauf ändert.
In diesem Zusammenhang ist anzumerken, dass die
latente Wiederholung des in den Medien (leider) immer noch verbreiteten "France-Bashing" ungeschickt ist und dem
Buch nicht guttut. Es gehört offenbar zum guten Ton, Frankreichs Wirtschaft bei jeder
Gelegenheit zu kritisieren, wenn man die deutsche Wirtschaftspolitik lobt.
Die wesentlichen gegenwärtigen Risiken für den Euro
stammen aus dem Versuch, Austerität auf nationaler Ebene und Strukturreform zu
vorrangigen Zielen zu erklären, um das Wachstum in Europa anzukurbeln und die
politische Reform der EU zu feiern.
Das Buch bietet zum theoretischen Hintergrund einen
sorgsamen Einblick in die früheren Formen einer Währungsunion in der Geschichte
mit kurzen und prägnanten Darstellungen.
Autoren:
Matthias Matthijs (@m2matthijs): Assistant Professor der International Political Economy an der Johns Hopkins University.
Mark Blyth (@MkBlyth): Professor of International Political Economy and International Studies an der Watson Institute for International Studies an der Brown University.
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