Dienstag, 20. Oktober 2015

Deutschlands Wirtschaftsmodell als Fata Morgana?

Der symbolträchtige VW-Skandal für den berühmten Export-Sektor ist keineswegs die grösste Herausforderung der deutschen Wirtschaft, schreibt FT in einem lesenswerten Artikel am Montag.

Exporteure mögen sich zwar als flexibel genug erweisen, den Nachfrage-Schock im Aussenhandel irgendwie anzupacken. Aber die besondere Abhängigkeit der Wirtschaft vom export-orientierten Modell macht Deutschland für längerfristige Underperformance anfällig, so das Narrativ weiter.

Die besagte Flexibilität hat sich aber ausgerechnet im Rahmen eines bestimmten Modells, das auf den Export angewiesen ist, entwickelt, mit dem Ziel, das Wachstum anzukurbeln. 

Das wiederum hängt von der Lohnzurückhaltung ab, um die Wettbewerbsfähigkeit zu pflegen, auch wenn das Ganze auf Kosten von Realeinkommen geht, das heisst zu Lasten der Binnennachfrage, was Behörden bewusst sein muss.

Es ist auf alle Fälle sehr interessant, den gesamten Zusammenhang kurz und bündig in einer seriösen Zeitung mit einem international guten Ruf zu lesen. Zur Erinnerung: Heiner Flassbeck behandelt diese Thematik seit Jahren in seinem Blog vertieft analytisch.




Sectoral financial balances in Germany (1995-2014), Graph: Heiner Flassbeck, Vortrag “Europain der Krise”, Düsseldorf am 1. Oktober 2015

PS: Alle sparen: private Haushalte, Unternehmen und die öffentliche Hand. Nur das Ausland verschuldet sich. Wir sollen die Gürtel weiter enger schnallen. Die anderen sollen über ihre Verhältnisse leben.


Trotz des sich andeutenden Abschwungs der chinesischen Wirtschaft lässt sich momentan kein Anzeichen eines Überdenkens in Sachen einseitig export-orientiertes Wirtschaftsmodell Deutschland erkennen, berichtet die britische Zeitung weiter:

Die deutsche Regierung sieht keine Notwendigkeit, durch fiskalpolitische Lockerung die Binnennachfrage, die ja in der Eurozone auch in der ersten Hälfte des Jahres 2015 unter dem Niveau von 2008 liegt, wiederzubeleben. Ganz im Gegenteil: Das erklärte Ziel ist eine “Schwarze Null”, auch wenn die Zinsen im Markt auf null liegen.

Leider gibt es kaum Veränderung im deutschen Konsens, dass Überschüsse im Haushalt und der Leistungsbilanz eine Quelle der ökonomischen Stärke gelten.

Wie Fabian Fritzsche in einem Beitrag in WirtschaftsWunder betont, eignet sich das deutsche Modell für den Rest der Eurozone nicht, weil die Ausgaben des einen die Einnahmen des anderen sind.

Nicht alle Länder in der Eurozone können sich gleichzeitig einen Überschuss im Aussenhandel erarbeiten. Das ist die einfache Buchhaltung, nicht einmal komplexe makroökonomische Theorie.

Wenn Deutschland also weiter unter seinen Verhältnissen leben will (sprich: Überschuss im Aussenhandel), mit einer Schwarzen Null, d.h. keine Kreditaufnahme, braucht es andere Länder, die Schulden machen. Ein Leistungsbilanzüberschuss von 255 Mrd. EUR (8,5% des BIP) bedeutet nämlich, dass das Ausland sich in dieser Grössenordnung verschulden muss.


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