Träges Wirtschaftswachstum, Niedrigzinsen,
Deflationsgefahr und Produktivitätsschwäche. Das sind derzeit die wesentlichen Ecksteine
der Weltwirtschaft.
Die Entscheidungsträger müssen vor diesem Hintergrund
die Rhetorik Strukturreform über Bord werfen und Fiscal Stimulus annehmen. Das
sagt Larry Summers in einem langen,
aber lesenswerten Artikel (“Global
Economy: The case for expansion”) in FT.
Die Zentralbank könnte negative Zinsen in Erwägung
ziehen, bemerkt Ben Bernanke andererseits
in einem Gespräch mit dem WSJ.
Es ist um die Weltwirtschaft nach fast sieben
Jahren der Finanzkrise nicht sonderlich gut bestellt.
Am meisten lässt Europa zu wünschen übrig. Peter Praet, Mitglied des
EZB-Direktoriums hat gestern anhand von ein paar aussagekräftigen Abbildungen (innert
sieben Tagen) erneut hervorgehoben, wie schwer die europäische Wirtschaft angeschlagen
ist: eine weit geöffnete Produktionslücke (output
gap), die unzureichende Nachfrage, ein starker deflationärer Abwind usw.
Rendite von Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit, Graph: FT Global Economy
Summers bringt es deutlich zum Ausdruck, dass sich
das Problem der secular stagnation im Angesicht der Widrigkeiten in den meisten
grossen Emerging Markets verschlechtere.
Angefangen mit China können Industrieländer sich heute
einen negativen globalen Schock kaum leisten. Die Entscheidungsträger
unterschätzen die Risiken. Sollte eine Rezession auftreten, hätten die
geldpolitischen Akteure kaum Werkzeuge, die zur Verfügung stehen, so der
ehemalige Finanzminister der US-Regierung.
Inflation und Inflationserwartungen in den USA, Grossbritannien
und Deutschland, Graph: FT Global
Economy
Dies ist keine Zeit für Selbstzufriedenheit. Die
Idee, dass das träge Wirtschaftswachstum nur eine vorübergehende Folge der
Finanzkrise von 2008 sei, ist absurd.
Die langfristig niedrigen Zinsen legen nahe, dass
wir über die Fiskalpolitik nachdenken müssen. Genau wie Hausbesitzer von
langfristig niedrigen Hypothekarzinsen profitieren, können wir uns zur Zeit auch
höhere Haushaltsdefizite leisten, bekräftigt der an der Harvard University lehrende Wirtschaftsprofessor.
Besonders viel spricht für expansive Fiskalpolitik,
wenn damit Investitionen getätigt werden, z.B. in Infrastruktur, Bildung und
Umweltschutz. Das Problem vor 2008 war zu viel Kreditaufnahme. Das Problem von
heute ist, dass zu wenig Kredit für produktive Investitionen aufgenommen wird.
Staatsausgaben in Deutschland, Grossbritannien,
Japan und den USA, Graph: FT in: Global Economy, Oct 2015
Unvermeidlich gibt es immer Diskussionen über die
Notwendigkeit von Strukturreformen. Traditonelle Ansätze mit Schwerpunkt auf
gesunde öffentliche Finanzen (Angebotsorientierung und Vermeidung von
Inflation) bergen aber katastrophale Risiken.
Es ist eine Ironie der heutigen
säkularen Stagnation, das, was herkömmlich als unklug betrachtet würde, heute
den einzigen klugen Weg nach vorn bietet, so der Chefökonom der Weltbank von
1991 bis 1993 als Fazit.
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