Mittwoch, 14. Oktober 2015

Primitivierung der Haushaltskonsolidierung

Es ist offensichtlich, dass die Austeritätspolitik eine besondere Eigenschaft der anhaltenden Rezession ist.

Da nach dem Lehrbuch träges Wirtschaftswachstum und Fiscal Austerity in Zusammenhang stehen, hält sich jede halbwegs vernünftige Regierung i.d.R. davor zurück, in einer schweren Rezession die Staatsausgaben zu kürzen oder die Steuern zu erhöhen.

Neulich hat sich der Chefökonom des deutschen Finanzministeriums in einem wunderlichen Meinungsartikel (“What the bankers can teach stimulus-addicted economists”) in FT über zu viel Stimulus im Euro-Raum beschwert. Seiner Ansicht nach sollen stattdessen Schulden abgebaut werden.

Das heisst, dass die rigorose Haushaltskonsolidierung in einer schwer angeschlagenen Wirtschaft wider besseres Wissen fortgesetzt werden soll. Was Ludger Schuknecht m.a.W. will, ist, dass alle anderen EU-Länder genau wie Deutschland einen immensen Handelsbilanzüberschuss vorlegen sollen.

Das ist natürlich aus makroökonomischen Gründen absurd und aus praktischen Gründen unmöglich. Paul Krugman hat dazu neulich kritisch Stellung genommen.

Nun meldet sich auch Simon Wren-Lewis in seinem Blog zu Wort: Die Amtsleute in Deutschland sollen nicht auf die Entwicklung der deutschen Wirtschaft hinweisen, um ihre eigene anti-keynesianische Ansicht zu rechtfertigen.


Euro Area Inflation, Graph: Peter Praet, ECB, Oct 8, 2015


Es darf darüber hinaus nicht vergessen werden, dass Deutschland selbst im Jahr 2009 ein Stimulus-Paket geschnürt hat. Noch wichtiger ist aber, dass das Land sich durch die Unterbietung der Euro-Nachbarstaaten mittels Lohnmoderation einen enormen Wettbewerbsvorteil verschafft hat, betont der an der Oxford University in London lehrende Wirtschafsprofessor.

Das ist nichts anderes als beggar my neighbour-Politik (sprich: Währungsabwertung), so Wren-Lewis weiter. Es ist eigentlich eine Art Nachfrage-Anregung, mit dem Unterschied, dass die Nachfrage aus anderen Ländern "importiert" wird.

Ob das absichtlich geschehen ist oder nicht, mag dahin gestellt sein. Aber die Amtsleute in Deutschland sollen zweimal überlegen, bevor sie über die Performance der Euro-Nachbarstaaten laut werden.

Sonst würden die Euro-Nachbarstaaten sich irgendwann ein Herz fassen und beginnen, zu klagen, dass Deutschland auf Kosten südeuropäischer Länder lebt und dass der gegenwärtige Wohlstand das Ergebnis von Diebstahl ist, argumentiert Wren-Lewis.

Wenn ein Land durch Lohnzurückhaltung das gemeinsam festgelegte Inflationsziel in einer Währungsunion unterläuft und dadurch Wettbewerbsvorteile gewinnt, kommt es nicht darum herum, einen bestimmten Zeitraum eine überdurchschnittliche Inflation zuzulassen, um die genannten Vorteile wieder rückgängig zu machen, weil der Anpassungsprozess für die anderen Länder sonst unerträglich wird.





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