Seitdem die EZB ihren Leitzins vergangene Woche auf
0,25% gesenkt hat, sind die niedrigen Zinsen wieder in aller Munde. Das viel zu
billige Geld als Stein des Anstosses. Alle schimpfen auf die Billigzinsen. Öfters
ist sogar von „Enteignung“ und „Repressions“ die Rede. Die
niedrigen Zinsen werden von einer Reihe von Experten längst als die Ursache der
Finanzkrise ausgemacht.
Bereits im Fahrwasser der Finanzkrise von 2008 waren
aber die kurzfristigen und langfristigen Zinsen in den fortgeschrittenen
Volkswirtschaften auf historisch niedrigem Niveau. In Folge der Finanzkrise und
sich daraus ergebenden Folgen haben die Zentralbanken weltweit reagieren
müssen:
(1) mit Zinssenkungen und (2) mit unkonventionellen geldpolitischen
Massnahmen.
Die Entwicklung der Zinsen hat aber nicht nur mit der
Geldpolitik zu tun; sie reflektiert ökonomische und finanzielle Umstände, wie Jean-Pierre Danthine gestern in einem
interessanten Referat („Ursachen und Folgen der tiefen Zinsen“) gestern
erklärt hat.
Dahinter stehen laut dem Vizepräsidenten der SNB v.a. zwei Phänomene: (I) Der langanhaltende Abwärtstrend (secular)
seit den 1980er Jahren und (II) Der zyklische
Rückgang (cyclical) im Sog der
Finanzkrise.
Der zyklische Rückgang hat wiederum in den vergangenen
Jahren zu extrem niedrigen Zinsen geführt, wobei nicht nur die Geldpolitik,
sondern auch die erhöhte Nachfrage nach sicheren Anlagen dazu beitrugen. Als
Fazit lässt sich inzwischen festhalten, dass die Zinsen im Allgemeinen
wirtschaftliche und finanzielle Verhältnisse und die Antwort der Geldpolitik
darauf widerspiegeln.
Die tiefen Zinsen das Ergebnis eines langanhaltenden
Abwärtstrends und der Rezession, Graph: Jean-Pierre Danthine, SNB in: "Causes and consequences of low interest rates"
Die Bestimmungsgrössen der nominalen Zinsen sind (a)
die realen langfristigen Zinsen und (b) die Inflationsprämie.
Erklärung des langanhaltenden Abwärtstrends: tiefe
Inflationsprämie, Graph: Jean-Pierre
Danthine, SNB, Nov 14, 2013
Das Lehrbuch besagt, dass der reale Zins der Preis für die Übereinstimmung von Nachfrage und
Angebot in Bezug auf das für Investitionen benötigte Kapital ist.
Angebot und Nachfrage für/nach Finanzierung werden
wiederum von fundamentalen wirtschaftlichen Faktoren bestimmt. Dazu zählen
Zeitpräferenz der privaten Haushalte, Produktivität von demographischen
Faktoren usw. Der nominale Zins
setzt sich aus dem realen Zinssatz plus einer Inflationsprämie zusammen.
Der Abwärtstrend der nominalen Zinsen hat sich in den
1980er Jahren eingesetzt. Wie haben sich aber in dieser Zeit der reale Zins und
die Inflationsprämie entwickelt?
(1) Der langanhaltende Abwärtstrend der nominalen Zinsen
ist das Ergebnis der niedrigen und stabilen Inflationsraten in den
fortentwickelten Ländern. Es wird angenommen, dass die abnehmende
Schwankungsanfälligkeit der Inflationserwartungen dazu viel beigetragen hat.
Der Zeitraum wird als „Great Moderation“
bezeichnet. Auch die realisierten Realzinsen sind zurückgegangen. Der reale
Zins war in den 2000er Jahren niedriger als in den 1980er Jahren.
Es gibt dazu einige Erklärungen: Die eine davon ist
das sog. „Global Savings Glut“-Hypothese, die auf den Anstieg der Ersparnisse in den
sog. Entwicklungsländern zurückgeht. Die
Begründung lautet so, dass der Trend durch die erhöhten Fremdwährungsreserven
getrieben wurde.
Die andere Erklärung betrifft den Rückgang der
Wachstumsaussichten, bedingt durch eine Abnahme der Produktivität oder durch
den demographischen Wandel, insbesondere den Rückgang der Erwerbsquote.
Keine dieser möglichen Erklärungen kann aber laut
Danthine den Rückgang der realen Zinsen vollständig bestätigen. Deshalb kann
daraus keine Schlussfolgerung für die künftige Entwicklung der Zinsen gezogen
werden.
(2) Der zyklische Rückgang lässt sich im Zuge der
Finanzkrise und der schweren Rezession deutlich beobachten. Es gibt dazu drei
Beobachtungen:
(i) Niedriges oder
negatives Output-Wachstum so wie es in Zeiten von tiefen Rezessionen üblich
ist. Daraus folgt, dass der Anreiz zum Investieren abnimmt und die Nachfrage
nach Finanzierungen sinkt. Die tiefen Zinsen sind also in erster Linie eine
natürliche Folge der schwer angeschlagenen der Weltwirtschaft (Depression).
(ii) Die führenden Zentralbanken haben auch zum Umfeld der fallenden Zinsen
beigetragen. Die rasche und entschiedene Antwort der Notenbank auf die
Finanzkrise hat die Zinsen nahe Null-Grenze (zero lower bound) gebracht, was auch Auswirkungen auf die
Entwicklung der langfristigen Zinsen entfaltet. Dazu zählen die Stichworte wie Quantitative Easing (mengenmässige
Lockerung der Geldpolitik) und Credit
Easing. Das Ziel war, durch die Ausdehnung der Bilanz-Summe der
Zentralbanken, die negativen Effekte der Great Recession abzumildern.
(iii) Die Nachfrage nach sicheren Anlagen ist im
Angesicht der wachsenden Unsicherheit auf den Finanzmärkten enorm gestiegen. Und
gleichzeitig ist das Angebot an sicheren Anlagen gesunken. Folglich ist der
Preis der Anlagen gestiegen und die Rendite ist gefallen.
Entwicklung der Zinsen in der Schweiz, Graph: Jean-Pierre Danthine, SNB, Nov 14, 2013
Fazit: Danthine ist überzeugt, dass die Senkung der Zinsen
bis auf die Null-Grenze angesichts der schweren Krise gerechtfertigt ist.
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