Deutschland gerät immer stärker unter Druck wegen seiner massiven Überschüsse in der Leistungsbilanz. Es fällt auf, dass die gegenwärtige Diskussion über die Position der deutschen Exportwirtschaft im Welthandel öfters den Eindruck hinterlässt, als ob es immer eine deutsche Norm gewesen wäre, hohe Überschüsse im Aussenhandel zu erzielen, weil die qualitativ hochwertigen Güter weltweit stark gefragt seien.
Das trifft natürlich nicht zu. Paul
Krugman liefert dazu eine bemerkenswerte Abbildung in seinem Blog. Es gab eine frühere Periode der Überschüsse in der Mitte der
1980er Jahre, weitgehend als das Gegenstück zu amerikanischen Defiziten in der
Reagan-Ära.
Aber Deutschland hat in den
1990er Jahren überhaupt keinen Überschuss aufgewiesen. Erst mit der Einführung
der Gemeinschaftswährung und die entsprechenden riesigen Kapitalströme an die
Peripherie der Eurozone kam es zu einem Wendepunkt, erklärt Krugman.
Und damit ging ein starker
Rückgang der deutschen Lohnstückkosten (unit
labor costs) einher, wie die Daten von OECD belegen. Der springende Punkt
ist hier, dass das Ganze auch nach dem Platzen der Blase anhält. Das heisst,
dass Deutschland (Gläubiger), obwohl es selbst nach wie vor enorme Überschüsse
hat und sie verteidigt, von dem Rest der Eurozone (Schuldner) harsche
Sparmassnahmen fordert. Das stellt natürlich in einer schwer angeschlagenen
Wirtschaft einen grossen Teil des gesamten Problems dar.
Deutschlands Leistungsbilanz als
Prozentsatz des BIP (Entwicklung seit 1980), Graph: Prof. Paul Krugman
Dass das deutsche
Wirtschaftsmodell seit der Mitte der 1990er Jahre sich verändert hat, wurde von
Heiner Flassbeck in seinen Aufsätzen
und Büchern öfters thematisiert. In den Jahren zwischen 1950 und 1960 stiegen
die Reallöhne in Deutschland im
Durchschnitt jedes Jahr um mehr als 7%. Von 1960 bis 1970 legte sie um fast 7%
zu, schreibt Flassbeck in seinem Buch die „Marktwirtschaft des 21. Jahrhunderts“.
Von da an ging es bergab. Und das
eigentliche Drama begann Mitte der 1990er Jahre. Seit der von Helmut Kohl
verfolgten und von Gerhard Schröder fortgesetzten Politik des Standortwettbewerbs stagniert die Kaufkraft der
Arbeitnehmer in Deutschland.
Die Frage lautet im Grunde
genommen, wie das Wirtschaftswunder der 1950er und 1960er Jahre so erfolgreich
war? Die Antwort: Es war eigentlich eine Art Kaufkraftwunder,
woran es heute mangelt. Die Teilnahme der Menschen am Wachstum der
Wertschöpfung war damals gegeben, heute aber nicht.
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