Mittwoch, 13. November 2013

Deutschland als Niedriglohnland

Im Gefolge der Finanzkrise scheint sich eine neue EU-Realität zu entwickeln. Der Entscheidungsprozess verlagert sich von Brüssel in Richtung nationale Hauptstädte der EU-Mitgliedsstaaten. 

Auffallend ist Berlins Gewicht, wesentlich mitzuprägen, wie die Geld- und Fiskalpolitik im Euro-Raum aussehen sollen. Die deutsche Regierung hat die Euro-Krise von Anfang an als Staatssschuldenkrise dargestellt und die Schuldner-Länder als Schuldige erklärt. Die harschen Sparmassnahmen wurden aus dieser ideologischen Agenda hergeleitet.

Der Rest der Welt schläft aber nicht. Nun wird Kritik laut. Im Mittelpunkt der internationalen Kritik steht Deutschlands Handelsbilanzüberschuss. Vor allem hat der vor rund einer Woche veröffentlichte Bericht des US-Schatzamtes an den amerikanischen Kongress für heikle Schlagzeilen gesorgt.

Jetzt spricht Adam Posen, der renommierte amerikanische Ökonom in einem Interview mit CNBC Klartext. Das ehemalige Mitglied des geldpolitischen Ausschusses der britischen Notenbank (BoE: Bank of England) nimmt kein Blatt vor den Mund. Deutschlands Wirtschaftspolitik ist in vielerlei Hinsicht falsch: 

(1) Es zahlt seinen Arbeitnehmern keinen mit der Produktivität im Einklang stehenden Lohn und prellt damit die Arbeitskräfte. 

(2) Es investiert nicht, weder im öffentlichen Sektor noch in der Privatwirtschaft. 

(3) Das bedeutet, dass Deutschland im internationalen Wettbewerb als Niedriglohn-Wirtschaft agiert. 

(4) Es neppt sowohl Europa als auch den Rest der Welt, wo es seine Ausfuhren (resultierend aus einem schwächeren Euro als es mit der D-Mark der Fall gewesen wäre) subventioniert  und 

(5) Es schnappt sich durch den Export von Deflation weltweit Marktanteile weg, während in der Welt hohe Arbeitslosigkeit vorherrscht.


Lohnstückkosten: Deutschland versus Rest der EMU, Graph: Prof. Heiner Flassbeck

Deutschlands Handelsbilanzüberschuss hat sehr wenig mit jahrzehntelanger Misswirtschaft in Griechenland oder langjähriger strukturellen Schwäche in Italien oder Frankreich zu tun, fasst Posen zusammen.

Fazit: Es ist bestimmt eine praktische Idee, von jetzt an statt von Exportüberschuss von Importdefizit zu reden, wie Mark Schieritz nahelegt. So kann die deutsche Öffentlichkeit in Bezug auf die  Bedeutung der Problematik mit extrem hohen Handelsbilanzüberschüssen in einer Währungsunion vielleicht besser sensibilisiert werden, wo bekanntlich besondere Anstrengungen unternommen werden, jede Art von Defizit möglichst zu vermeiden.

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