Montag, 11. November 2013

Frankreich-Bashing und Anhänger der Austerität

Standard & Poor’s hat am Freitag Frankreichs Kreditwürdigkeit herabgestuft. Die Bonität-Senkung hat für Schlagzeilen gesorgt, mit Hinweisen darauf, dass Frankreich in einer Krise steckt.

Die Märkte haben mit Gähnen darauf reagiert. Warum? Die Antwort ist, dass es wirklich viele Leute gibt, die schlecht darüber reden, schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („The Plot Against France“) am Montag in NYTimes.

Es ist ein klarer Beweis dafür, dass die Defizit-Schimpfer sich nicht um Defizite kümmern, sondern die Angst vor Schulden benutzen, eigene ideologische Agenda voranzutreiben.

Angesichts einer solchen Rhetorik erwartet man, aus den Daten von Frankreich das Schlimmste zu sehen. Was man stattdessen erfährt ist ein Land mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten, im Allgemeinen genauso gut wie seine Nachbarn oder sogar etwas besser als die meisten seiner Nachbarn. Welches Land hat aber heute keine ökonomische Schwierigkeiten?

Inzwischen sieht Frankreichs fiskalpolitischer Ausblick nicht beängstigend aus, hält Krugman fest. Das Haushaltsdefizit ist seit 2010 stark gesunken. Gemessen an Daten verdient Frankreich keine besondere Schmach. Worum geht es also?

Krugman gibt einen Hinweis: Vor zwei Monaten hat Olli Rehn, EU-Kommissar für Wirtschafts- und Währungsfragen, einer der treibenden Kräfte hinter der harschen Austeritätspolitik, Frankreichs scheinbar vorbildliche Finanzpolitik abqualifiziert. Warum? Weil sie auf Steuererhöhungen beruht, nicht auf Ausgabenkürzungen. Steuererhöhungen würden, erklärte Rehn, das Wachstum zerstören und die Schaffung von Arbeitsplätzen behindern.



Leistungsbilanz in Prozent des BIP: Frankreich, Deutschland und Spanien im Vergleich, Graph: Prof. Paul Krugman


Mit anderen Worten geht es nicht um Haushaltsdisziplin, sondern darum das soziale Sicherheitsnetz zu demontieren. Der Beschluss der Rating-Agentur, Frankreichs Bonität zu senken, läuft mehr oder weniger darauf hinaus. Wer kümmert sich um Budget-Zahlen? Wo sind die Steuersenkungen und Deregulierung?

Man könnte denken, dass Rehn und S&P ihre Forderungen auf solide Fakten basieren lassen. Nein, es ist nicht der Fall, sagt Krugman. IWF-Forschung legt nahe, dass, wenn man in einer Rezession versucht, das Defizit zu reduzieren, genau genau das Gegenteil geschieht: Temporäre Steuererhöhungen richten weniger Schaden ein als Ausgabenkürzungen.

Und wenn die Leute anfangen, über die Wunder von „Strukturreform“ zu reden, nehmen Sie es mit Vorsicht auf, rät Krugman. Es handelt sich dabei hauptsächlich um ein Code-Wort für die Deregulierung. Und der Beweis für die Vorteile der Deregulierung sind ausgesprochen uneinheitlich.



Schuldenstandquote Frankreich versus Grossbritannien, Graph: Prof. Paul Krugman

Wenn sich das alles für amerikanische Leser vertraut anhört, dann sollte es, bemerkt Krugman zum Schluss. Die Defizit-Schimpfer in den USA entpuppen sich nämlich fast immer viel mehr daran interessiert, Medicare und Social Security zu kürzen als das Haushaltsdefizit. 

Europas Anhänger der Austerität offenbaren sich nun so ziemlich auf dieselbe Art und Weise. Frankreich hat sich verpflichtet, haushaltspolitisch verantwortlich zu handeln, ohne Arme und Unglücksmenschen zusätzlich zu belasten: eine unverzeihliche Sünde!




Lohnstückkosten: Frankreich versus Euro-Raum, Graph: Prof. Paul Krugman






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