Standard & Poor’s hat am Freitag Frankreichs Kreditwürdigkeit herabgestuft. Die Bonität-Senkung hat für Schlagzeilen gesorgt, mit Hinweisen darauf, dass Frankreich in einer Krise steckt.
Die Märkte haben mit Gähnen
darauf reagiert. Warum? Die Antwort ist, dass es wirklich viele Leute gibt, die
schlecht darüber reden, schreibt Paul
Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („The Plot Against France“) am Montag in NYTimes.
Es ist ein klarer Beweis dafür,
dass die Defizit-Schimpfer sich nicht um Defizite kümmern, sondern die Angst
vor Schulden benutzen, eigene ideologische Agenda voranzutreiben.
Angesichts einer solchen Rhetorik
erwartet man, aus den Daten von Frankreich das Schlimmste zu sehen. Was man
stattdessen erfährt ist ein Land mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten, im
Allgemeinen genauso gut wie seine Nachbarn oder sogar etwas besser als die
meisten seiner Nachbarn. Welches Land hat aber heute keine ökonomische Schwierigkeiten?
Inzwischen sieht Frankreichs fiskalpolitischer Ausblick nicht beängstigend aus, hält Krugman fest. Das
Haushaltsdefizit ist seit 2010 stark gesunken. Gemessen an Daten verdient
Frankreich keine besondere Schmach. Worum geht es also?
Krugman
gibt einen Hinweis: Vor zwei Monaten hat Olli
Rehn, EU-Kommissar für Wirtschafts- und Währungsfragen, einer der
treibenden Kräfte hinter der harschen Austeritätspolitik, Frankreichs scheinbar
vorbildliche Finanzpolitik abqualifiziert. Warum? Weil sie auf Steuererhöhungen
beruht, nicht auf Ausgabenkürzungen. Steuererhöhungen würden, erklärte Rehn, das
Wachstum zerstören und die Schaffung von Arbeitsplätzen behindern.
Leistungsbilanz in Prozent des
BIP: Frankreich, Deutschland und Spanien im Vergleich, Graph: Prof. Paul Krugman
Mit anderen Worten geht es nicht
um Haushaltsdisziplin, sondern darum das soziale Sicherheitsnetz zu
demontieren. Der Beschluss der Rating-Agentur, Frankreichs Bonität zu senken,
läuft mehr oder weniger darauf hinaus. Wer kümmert sich um Budget-Zahlen? Wo
sind die Steuersenkungen und Deregulierung?
Man könnte denken, dass Rehn und
S&P ihre Forderungen auf solide Fakten basieren lassen. Nein, es ist nicht
der Fall, sagt Krugman. IWF-Forschung legt nahe, dass, wenn man in einer
Rezession versucht, das Defizit zu reduzieren, genau genau das Gegenteil
geschieht: Temporäre Steuererhöhungen richten weniger Schaden ein als
Ausgabenkürzungen.
Und wenn die Leute anfangen, über
die Wunder von „Strukturreform“ zu reden, nehmen Sie es mit Vorsicht auf, rät
Krugman. Es handelt sich dabei hauptsächlich um ein Code-Wort für die Deregulierung.
Und der Beweis für die Vorteile der Deregulierung sind ausgesprochen
uneinheitlich.
Schuldenstandquote Frankreich
versus Grossbritannien, Graph: Prof. Paul Krugman
Wenn sich das alles für
amerikanische Leser vertraut anhört, dann sollte es, bemerkt Krugman zum
Schluss. Die Defizit-Schimpfer in den USA entpuppen sich nämlich fast immer
viel mehr daran interessiert, Medicare
und Social Security zu kürzen als das
Haushaltsdefizit.
Europas Anhänger der Austerität offenbaren sich nun so
ziemlich auf dieselbe Art und Weise. Frankreich hat sich verpflichtet,
haushaltspolitisch verantwortlich zu handeln, ohne Arme und Unglücksmenschen zusätzlich
zu belasten: eine unverzeihliche Sünde!
Lohnstückkosten: Frankreich
versus Euro-Raum, Graph: Prof. Paul Krugman
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