Donnerstag, 14. November 2013

Eurozone im Gewand von Moralfabel

André Kühnlenz macht wie immer wieder eine kluge Beobachtung: Im aktuellen Finanzstabilitätsbericht der Bundesbank kommt das Wort „Staatsschuldenkrise“ ein einziges Mal vor. Im Vergleich 2012: 34x. Und mittlerweile reden die Verfasser des Berichtes korrekterweise von „Schuldenkrise“, nicht mehr von „Staatsschuldenkrise“.

Von Anfang an hat die deutsche Bundesregierung die Finanzkrise als „Staatsschuldenkrise“ vorgestellt. Die massiven wirtschaftlichen Ungleichgewichte im Euro-Raum wurden als Moralfabel dargestellt. Merkel und Schäuble haben wiederholt behauptet, dass die Ursache der Euro-Krise die unverantwortliche Haushaltsführung ist. Das makroökonomische Problem wurde in einem moralischen Gewand vorgetragen. Gläubiger-Länder haben dann Schuldner-Ländern harsche Sparmassnahmen auferlegt. Ängste wurde geschürt: Wenn jetzt keine Austeritätspolitik stattfinde, drohe „Hellenisierung“ des ganzen Euro-Raums.

Die gesamtwirtschaftliche Trends in eine Moralfabel umzudeuten, ist aber immer falsch. Warum? Weil es dann heisst, dass, wenn die privaten Haushalte die Gürtel enger schnallen müssen, auch der Staat sparen muss. Oder dass Rezessionen eine Strafe für die vergangenen Sünden sind.

Simon Wren-Lewis erklärt in seinem Blog das ganze Phänomen in einer Währungsunion (z.B. EWU) mit zwei Ländern „G“ und „R“. Was passiert, wenn das eine Mitglied vom Inflationsziel (z.B. 2%) der Währungsunion abweicht? Angenommen aufgrund der Exzesse in „R“ steigt die Inflation im Land „R“ auf 3%. Erfüllt die EZB ihren Auftrag, um die Inflation im Durchschnitt auf 2% zu halten, fällt die Inflation im Land „G“ auf 1%. „G“ wird dann „zu wettbewerbsfähig“.



Kurzfristige Zinsen und Verbraucherpreise (CPI) im Euro-Raum, Graph: Prof. Simon Wren-Lewis



Wenn die EZB fähig ist und den Willen hat, die durchschnittliche Inflation weiter auf 2% zu halten, hätten wir eine Zeitdauer 3% Inflation in „G“ und 1% in „R“.

Die Moralfabel besagt aber, dass die verschwenderische Haushaltspolitik in „R“ dazu führt, dass „G“ vom gemeinsam festgelegten Inflationsziel abweicht. Die Moralprediger übersehen den Fakt, dass die Exzesse in „R“ zum Teil auf die übermässige Kreditvergabe durch „G“ zurückgeht. Moralität obliegt aber irgendwie immer dem Schuldner.

Das Problem hat aber begonnen, als „G“ versucht hat, die Preise in „R“ zu unterbieten, was die Inflation auf 1% zurückfallen liess. Da die EZB versucht, die Inflation im Durchschnitt auf 2% zu halten, steigt die Inflation in „R“ auf 3%. „G“ kommt in den Genuss der Unterbietung von „R“ und weigert sich, den Prozess umzukehren.

Welche Geschichte stimmt? Es liegt auf der Hand, dass es in Teilen von „R“ Exzesse gegeben hat, wie z.B. in Griechenland (Regierung) und Irland (Banken). Beide Länder stellen aber kleine Volkswirtschaften dar. Daher schlägt Wren-Lewis vor, einen Blick auf die realen Zinsen zu werfen, um mehr Aufschluss zu geben.

Hätte die EZB versucht, auf den Nachfrageüberhang in „R“ zu reagieren, hätten die realen Zinsen höher notieren müssen.

Hätte die EZB versucht, die Deflation in „G“ zu unterbinden, hätten die realen Zinsen niedriger notieren müssen.

Wie man in der Abbildung sehen kann, lagen die kurzfristigen Realzinsen zwischen 2003 und 2005 nahe null. Das deutet darauf hin, dass „G“ versucht hat, die Preise und Kosten in „R“ zu unterlaufen. Die EZB hat die Zinsen gesenkt, sodass die Inflation in „R“ auf 3% gestiegen ist. Bemerkenswert ist, dass die Produktionslücke (output gap) in Deutschland von 2003 bis 2005 geöffnet war. 2003: -1,4%, 2004: -1,7% und 2005: -1,9%.

In einer idealen Welt hätten „G“ und „R“ eine effektive Fiskalpolitik eingesetzt, was aber in der EWU ein Tabu ist. Daraus folgt, dass die These, dass die Ungleichgewichte in Sachen Wettbewerbsfähigkeit das Ergebnis von Exzessen ausserhalb Deutschland sei, einfach falsch ist.

1 Kommentar:

Thomas Kirchner hat gesagt…

Wenn es nach dem französischen Minister Arnaud Montebourg ginge, käme die Inflation sofort
http://alternativlos.tk/2013/11/frankreichs-arnaud-montebourg-setzt-ezb-unter-druck/