Die „one-size-fits-all“-Geldpolitik funktioniert im Euro-Raum offensichtlich nicht.
Das Dilemma ist, an wessen Volkswirtschaft sich die EZB orientieren soll, wenn
es um die Gestaltung der Geldpolitik geht: Deutschland oder Irland?
Man denke an den Euro-Raum als
ganzes: einzelne Schocks oder fiskalpolitische Massnahmen wirken sich sowohl
auf Deutschland als auch auf den Rest des Euro-Raums, einschliesslich
Peripherie aus.
Ein Beispiel: Angenommen es kommt
zu einer scharfen fiskalischen Kontraktion in Südeuropa. Welche makroökonomische
Implikationen würden daraus hervorgehen? Die Geldpolitik müsste gelockert
werden, um via Zinssenkung kontraktiven Effekten der Austerität entgegenzuwirken.
Paul Krugman zeigt den Verlauf des Ganzen anhand eines einfachen IS-LM-Modells.
Die EZB müsste also auf den
Fiskal-Schock mit Zinssenkung reagieren. Da Deutschland aber nicht so harsche
Sparmassnahmen getroffen hat wie Südeuropa, würde die Zinssenkung in
Deutschland eine Wirtschaftsleistung über dem Potenzialwachstum auslösen und zu
einem Anstieg der Inflation führen, wodurch die deutsche Wettbewerbsfähigkeit negativ
tangiert würde.
Das ist, wie das Ganze sich nach
dem Lehrbuch abspielen würde. Es ist aber in der Praxis nicht der Fall. Warum
nicht? Weil die EZB sich zurückhält, eine expansive Geldpolitik zu betreiben,
trotz der restriktiven Fiskalpolitik an der EU-Peripherie, wie Simon Wren-Lewis erklärt. Die EZB hat in der
Tat zu lange gewartet und erst vergangene Woche die Zinsen gesenkt. Daher
findet sie sich jetzt plötzlich nahe Nullgrenze (zero lower bound).
Primary Financial Balance: Deutschland versus
Euro-Raum, Graph: Prof. Simon Wren-Lewis
Finanzierungssaldo ohne Zinszahlungen
auf den Schuldenstand
Fiskalpolitische Kontraktion wird
also durch monetäre Expansion nicht ausgeglichen. Das heisst, dass der
kontraktive Kurs im Süden nicht durch eine expansive Fiskalpolitik im Norden nicht kompensiert.
Und daraus ergeben sich einige schwere Verwicklungen:
(1)
Der Abschwung im Süden wird tiefer als sonst.
(2) Die ganze Last der Anpassung
wird auf der Schulter der Peripherie getragen, und
(3) Es entsteht kein
Preisdruck in Deutschland, weil es inzwischen keine expansive Effekte gibt. Folglich kommt
es zu deflationären Tendenzen im Süden, und zwar mit hohen Kosten, was die
Schuldenproblematik zusätzlich verstärkt, weil die reale Last steigt.
Wie reagiert die aggregierte Geldpolitik im Euro-Raum auf
die kontraktive Auswirkung der Austerität – Erklärung anhand eines IS-LM Modells,
Graph: Prof. Paul Krugman
Deutschland ist zwar stolz auf
seine wirtschaftliche Leistung zwischen den späten 1990er Jahren und 2007. Was
aber nicht vergessen werden darf, ist, dass die deutsche Wirtschaft damals von
einem höchst lockeren Kurs der Geldpolitik profitiert hat, was heute der Peripherie
versagt bleibt.
Wren-Lewis bringt es högflich zum
Ausdruck, dass Deutschland die EZB entweder unter Druck setzt, die Geldpolitik im
Interesse der deutschen Wirtschaft zu gestalten, oder es nutzt die Unfähigkeit
der EZB, Inflationsziel in einer Liquiditätsfalle zu erfüllen, aus, indem es durch
eine restriktive Fiskalpolitik die Inflation unter die Zielmarke druckt. Was
aber noch schlimmer ist, dass die EU-Kommission dabei stumm bleibt und weiter
zuschaut, wie die Menschen im Süden leiden.
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