Montag, 11. November 2013

Der Preis der „one-size-fits-all“-Geldpolitik

(Nur für Streber)

Die „one-size-fits-all“-Geldpolitik funktioniert im Euro-Raum offensichtlich nicht. Das Dilemma ist, an wessen Volkswirtschaft sich die EZB orientieren soll, wenn es um die Gestaltung der Geldpolitik geht: Deutschland oder Irland?

Man denke an den Euro-Raum als ganzes: einzelne Schocks oder fiskalpolitische Massnahmen wirken sich sowohl auf Deutschland als auch auf den Rest des Euro-Raums, einschliesslich Peripherie aus.

Ein Beispiel: Angenommen es kommt zu einer scharfen fiskalischen Kontraktion in Südeuropa. Welche makroökonomische Implikationen würden daraus hervorgehen? Die Geldpolitik müsste gelockert werden, um via Zinssenkung kontraktiven Effekten der Austerität entgegenzuwirken. Paul Krugman zeigt den Verlauf des Ganzen anhand eines einfachen IS-LM-Modells.

Die EZB müsste also auf den Fiskal-Schock mit Zinssenkung reagieren. Da Deutschland aber nicht so harsche Sparmassnahmen getroffen hat wie Südeuropa, würde die Zinssenkung in Deutschland eine Wirtschaftsleistung über dem Potenzialwachstum auslösen und zu einem Anstieg der Inflation führen, wodurch die deutsche Wettbewerbsfähigkeit negativ tangiert würde.

Das ist, wie das Ganze sich nach dem Lehrbuch abspielen würde. Es ist aber in der Praxis nicht der Fall. Warum nicht? Weil die EZB sich zurückhält, eine expansive Geldpolitik zu betreiben, trotz der restriktiven Fiskalpolitik an der EU-Peripherie, wie Simon Wren-Lewis erklärt. Die EZB hat in der Tat zu lange gewartet und erst vergangene Woche die Zinsen gesenkt. Daher findet sie sich jetzt plötzlich nahe Nullgrenze (zero lower bound).



Primary Financial Balance: Deutschland versus Euro-Raum, Graph: Prof. Simon Wren-Lewis

Finanzierungssaldo ohne Zinszahlungen auf den Schuldenstand


Fiskalpolitische Kontraktion wird also durch monetäre Expansion nicht ausgeglichen. Das heisst, dass der kontraktive Kurs im Süden nicht durch eine expansive Fiskalpolitik im Norden nicht kompensiert

Und daraus ergeben sich einige schwere Verwicklungen: 

(1) Der Abschwung im Süden wird tiefer als sonst. 

(2) Die ganze Last der Anpassung wird auf der Schulter der Peripherie getragen, und 

(3) Es entsteht kein Preisdruck in Deutschland, weil es inzwischen keine expansive Effekte gibt. Folglich kommt es zu deflationären Tendenzen im Süden, und zwar mit hohen Kosten, was die Schuldenproblematik zusätzlich verstärkt, weil die reale Last steigt.
  


Wie reagiert die aggregierte Geldpolitik im Euro-Raum auf die kontraktive Auswirkung der Austerität – Erklärung anhand eines IS-LM Modells, GraphProf. Paul Krugman

Deutschland ist zwar stolz auf seine wirtschaftliche Leistung zwischen den späten 1990er Jahren und 2007. Was aber nicht vergessen werden darf, ist, dass die deutsche Wirtschaft damals von einem höchst lockeren Kurs der Geldpolitik profitiert hat, was heute der Peripherie versagt bleibt.

Wren-Lewis bringt es högflich zum Ausdruck, dass Deutschland die EZB entweder unter Druck setzt, die Geldpolitik im Interesse der deutschen Wirtschaft zu gestalten, oder es nutzt die Unfähigkeit der EZB, Inflationsziel in einer Liquiditätsfalle zu erfüllen, aus, indem es durch eine restriktive Fiskalpolitik die Inflation unter die Zielmarke druckt. Was aber noch schlimmer ist, dass die EU-Kommission dabei stumm bleibt und weiter zuschaut, wie die Menschen im Süden leiden.

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