Warum nehmen die Mainstream-Ökonomen und die Leitmedien an der offenen Kritik des US-Schatzamtes an Deutschlands Leistungsbilanzüberschüssen so viel Anstoss?
Abgesehen davon, dass der
Aufschrei dogmatisch ist und der Sache nicht dient, lautet die Frage, warum es darauf ankommt?
Die kurze Antwort: Die gegenwärtige Situation der Weltwirtschaft.
Die nominalen Zinsen sind auf der
Null-Grenze aufgeprallt (zero lower bound).
Es herrscht Sparparadoxon (paradox of
thrift). Ein Anstieg der Notebankgeldmenge (monetary base) löst keine Inflation aus. Ein höheres
Haushaltsdefizit führt nicht zu einem Anstieg der Zinsen. Die Produktionslücke (output gap) bleibt
weit geöffnet. Die Arbeitslosigkeit verharrt auf Rekordniveau. In den grössten
Volkswirtschaften der industrialisierten Welt mangelt es an Nachfrage.
Doch, Deutschland hat
mittlerweile höhere Überschüsse als China. Deutschlands hohe Überschüsse
bedeuten, dass es einen grossen Teil der zur Verfügung stehenden externen Nachfrage in der reichen Welt geniesst.
Normalerweise wäre das vielleicht
kein grosses Ärgernis. Denn Deutschlands Überschüsse würden seine Währung
aufwerten lassen, was den Überschuss verringern würde. Gleichzeitig könnte der
Nachfrageausfall aus dem Ausland durch höhere Nachfrage im Inland ausgeglichen
werden. Das findet aber nicht statt. Warum? Weil Deutschland keine eigene Währung
zum Abwerten Aufwerten hat, sondern es hat die Gemeinschaftswährung, die es mit seinen
Nachbarn in der EWU teilt.
Deutschlands Lohnstückkosten (Daten: OECD), Graph: Prof. Paul Krugman
Innerhalb des Euro-Raums können
reale Wechselkurse daher nur durch Veränderungen der relativen Lohnstückkosten
(unit labor costs) „angepasst“
werden: d.h. durch die Produktivität und Löhne. Die Produktivität ist aber zur
Zeit bedingt durch die Euro-Krise angeschlagen. Und die Löhne stagnieren.
Die Binnennachfrage ist derzeit
eingeschränkt, durch (a) den Schuldenabbau-Prozess (deleveraging) im Privatsektor, (b) die Haushaltskonsolidierung (austerity) und (c) nicht genug-akkommodierende
Geldpolitik der EZB.
Zugleich zwingen Berlin und
Brüssel die EU-Peripherie, die Kosten und die Preise nach unten zu korrigieren,
durch interne Abwertung (internal devaluation), d.h. Lohnsenkungen, inmitten einer schwer angeschlagenen Wirtschaft. Und davon
profitiert die deutsche Exportwirtschaft, da es eine reale Abwertung aus Deutschlands
Sicht bedeutet.
Folglich reduzieren Deutschlands
Überschüsse die Nachfrage in der reichen Welt, was gleichzeitig deflationäre Tendenzen auslöst, wie das US-Schatzamt zurecht hervorhebt. Würde
die deutsche Regierung die Binnennachfrage ankurbeln (durch expansive Fiskalpolitik
und höhere Löhne für die Arbeitskräfte), käme es der allgemeinen Nachfrage zu
Gute. Das ist der makroökonomische Punkt des US-Finanzministeriums, nicht irgendeine Animosität gegen Deutschland, oder Deutschen gegenüber.
PS: Immer daran denken, dass (Leistungsbilanz =
Ersparnisse – Investitionen) ist.
3 Kommentare:
Weil Deutschland keine eigene Währung zum "Aufwerten" hat - das ist wohl gemeint...
Vielen Dank. Sie haben Recht. Es ist in Eile ein Fehler unterlaufen. Es muss korrigiert werden. Es heisst "Aufwerten".
Der Satz müsste im Grunde genommen lauten, dass Deutschland keine eigene Währung hat, die sich aufwertet.
Noch ein Kommentar dazu, ebenfalls aus der Schweiz (und, der Ordnung halber: selbstverständlich genau so richtig):
http://blog.tagesanzeiger.ch/nevermindthemarkets/index.php/33571/das-einmaleins-der-schaedlichen-exportueberschuesse/
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