Ein Argument, welches viele Spitzenpolitiker und Mainstream-Ökonomen zur Erklärung der Finanzkrise seit 2008 gern vortragen, lautet, dass es sich bei der Finanzkrise um eine reine Liquiditätskrise handelt.
Die Auffassung lenkt davon ab,
warum die Banken gegenüber Verlusten so anfällig waren und warum die
Regulierung so locker gehandhabt wurde. Die Aufmerksamkeit wird dadurch von
wichtigen Fragen abgelenkt, warum die Banken z.B. in Sachen Risikomanagement
und Risikokontrolle versagt haben.
Im Vorfeld der Krise gingen die
Banken viele Risiken ein, die sie vor der eigenen Unternehmensleitung und den
Anlegern versteckt haben. Die Liquiditätsinterpretation der Krise hält die
Menschen von dem Versuch ab, die Solvenzprobleme und ihre Ursachen zu
verstehen, schreiben Anat Admati und Martin Hellwig in ihrem Buch „Des Bankers neue Kleider“
In diesem Zusammenhang nennt Robert Skidelsky in einem lesenswerten
Essay („Four Fallacies of the Second
Great Depression“) in Project Syndicate vier Trugschlüsse, die im Sog der Finanzkrise als Erklärung
immer wieder auftauchen.
Der eine ist „die schwäbische Hausfrau“. Die
deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat mehrfach gesagt, dass man einfach nur die
schwäbische Hausfrau hätte fragen sollen: „Sie hätte uns eine Lebensweisheit
gesagt: Man kann nicht auf Dauer über seine Verhältnisse leben“.
Das ist die Logik, die die
Austeritätspolitik in Europa untermauert. Dabei werden aber laut Skidelsky die
Auswirkungen der Sparsamkeit der Hausfrau auf die Gesamtnachfrage übersehen.
Wenn alle privaten Haushalte ihre Ausgaben verringern, würde der
Gesamtverbrauch sinken und damit auch die Nachfrage nach Arbeitskräften. Wenn
der Ehemann der Hausfrau seinen Job verliert, geht es dem Haushalt schlechter
als vorher. Das ist die sog. „fallacy of
composition“ („Trugschluss der Verallgemeinerung“).
Was einzelwirtschaftlich (für den
einzelnen Haushalt oder ein Unternehmen) sinnvoll ist, muss nicht unbedingt gesamtwirtschaftlich gut sein. John Maynard Keynes hat in diesem Kontext auf „paradox of thrift“ (Sparparadoxon).
Wenn alle sparen, während die
Wirtschaft in einer tiefen Rezession steckt, sinkt die gesamtwirtschaftliche
Nachfrage, was auch die gesamten Ersparnisse verringert, weil der private
Konsum aufgrund des schrumpfenden Wirtschaftswachstums zurückgeht.
Wenn die öffentliche Hand
versucht, das Haushaltsdefizit zu reduzieren, schnallen auch die privaten
Haushalte und Unternehmen die Gürtel enger, was zu einem Rückgang der Ausgaben
führt. Die Senkung der Staatsausgaben führt folglich nicht zu einem Rückgang
des Haushaltsdefizits. Wenn alle Nationen gleichzeitig sparen, verringert der
Rückgang der Nachfrage des Landes A die Nachfrage des Landes B. Die Einnahmen des
einen sind nämlich die Ausgaben des anderen.
Weitere Trugschlüsse, die der
emeritierte Professor für Political Economy at Warwick University erklärt, sind:
Der Staat kann kein Geld ausgeben,
das er nicht hat.
Staatsschulden sind aufgeschobene
Besteuerung.
Die Staatsschulden sind eine
Belastung zukünftiger Generationen.
Fazit: Die Finanzkrise ist keine reine Liquiditätskrise.
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