Montag, 25. November 2013

Trugschlüsse in der Erklärung der Finanzkrise

Ein Argument, welches viele Spitzenpolitiker und Mainstream-Ökonomen zur Erklärung der Finanzkrise seit 2008 gern vortragen, lautet, dass es sich bei der Finanzkrise um eine reine Liquiditätskrise handelt.

Die Auffassung lenkt davon ab, warum die Banken gegenüber Verlusten so anfällig waren und warum die Regulierung so locker gehandhabt wurde. Die Aufmerksamkeit wird dadurch von wichtigen Fragen abgelenkt, warum die Banken z.B. in Sachen Risikomanagement und Risikokontrolle versagt haben.

Im Vorfeld der Krise gingen die Banken viele Risiken ein, die sie vor der eigenen Unternehmensleitung und den Anlegern versteckt haben. Die Liquiditätsinterpretation der Krise hält die Menschen von dem Versuch ab, die Solvenzprobleme und ihre Ursachen zu verstehen, schreiben Anat Admati und Martin Hellwig in ihrem Buch „Des Bankers neue Kleider“

In diesem Zusammenhang nennt Robert Skidelsky in einem lesenswerten Essay („Four Fallacies of the Second Great Depression“) in Project Syndicate vier Trugschlüsse, die im Sog der Finanzkrise als Erklärung immer wieder auftauchen.

Der eine ist „die schwäbische Hausfrau“. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat mehrfach gesagt, dass man einfach nur die schwäbische Hausfrau hätte fragen sollen: „Sie hätte uns eine Lebensweisheit gesagt: Man kann nicht auf Dauer über seine Verhältnisse leben“.


Das ist die Logik, die die Austeritätspolitik in Europa untermauert. Dabei werden aber laut Skidelsky die Auswirkungen der Sparsamkeit der Hausfrau auf die Gesamtnachfrage übersehen. Wenn alle privaten Haushalte ihre Ausgaben verringern, würde der Gesamtverbrauch sinken und damit auch die Nachfrage nach Arbeitskräften. Wenn der Ehemann der Hausfrau seinen Job verliert, geht es dem Haushalt schlechter als vorher. Das ist die sog. „fallacy of composition“ („Trugschluss der Verallgemeinerung“).

Was einzelwirtschaftlich (für den einzelnen Haushalt oder ein Unternehmen) sinnvoll  ist, muss nicht unbedingt gesamtwirtschaftlich gut sein. John Maynard Keynes hat in diesem Kontext auf „paradox of thrift“ (Sparparadoxon).

Wenn alle sparen, während die Wirtschaft in einer tiefen Rezession steckt, sinkt die gesamtwirtschaftliche Nachfrage, was auch die gesamten Ersparnisse verringert, weil der private Konsum aufgrund des schrumpfenden Wirtschaftswachstums zurückgeht.

Wenn die öffentliche Hand versucht, das Haushaltsdefizit zu reduzieren, schnallen auch die privaten Haushalte und Unternehmen die Gürtel enger, was zu einem Rückgang der Ausgaben führt. Die Senkung der Staatsausgaben führt folglich nicht zu einem Rückgang des Haushaltsdefizits. Wenn alle Nationen gleichzeitig sparen, verringert der Rückgang der Nachfrage des Landes A die Nachfrage des Landes B. Die Einnahmen des einen sind nämlich die Ausgaben des anderen.

Weitere Trugschlüsse, die der emeritierte Professor für Political Economy at Warwick University erklärt, sind:

Der Staat kann kein Geld ausgeben, das er nicht hat.
Staatsschulden sind aufgeschobene Besteuerung.
Die Staatsschulden sind eine Belastung zukünftiger Generationen.

Fazit: Die Finanzkrise ist keine reine Liquiditätskrise.

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