Die neuen Daten zur Entwicklung der Konjunktur in Europa lassen viel zu wünschen übrig. Die Industrieproduktion im Euro-Raum ist im September um 0,5% gefallen. Das deutsche BIP ist im dritten Quartal um 0,3% gewachsen. Die Stagnation hält an. Die Arbeitslosigkeit verharrt auf einem Rekordhoch.
Vor diesem Hintergrund schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten
Kolumne („The Money Trap“) am Freitag
in NYTimes, dass die europäischen Behörden vor nicht lange her erklärten, dass
der Kontinent über den Berg sei. Aber jetzt droht das Gespenst der Deflation über
weite Strecken Europas. Und die EZB hat vergangene Woche die Zinsen gesenkt.
Die Aktion macht bestenfalls nur einen marginalen Unterschied aus. Aber es ist
dennoch ein Schritt in die richtige Richtung, hält Krugman fest.
Doch der Zinsschritt ist enorm
umstritten. Und der Streit nimmt eine bedrohliche Form an, zumindest für alle,
die sich an Europas schreckliche Geschichte erinnern.
Die Streitigkeiten über
europäische Geldpolitik sind nicht nur eine Schlacht der Ideen, sondern sie
klingen auch wie der Streit unter Nationen.
Zum Beispiel: Wer hat gegen die Zinssenkung
gestimmt? Die beiden deutschen Mitglieder des geldpolitischen Ausschusses der
EZB, begleitet von Vertretern der niederländischen und der österreichischen
Zentralbanken.
Wer hat sonst ausserhalb der EZB
die Zinssenkung kritisiert? Deutsche Ökonomen greifen nicht nur die Substanz
der zinspolitischen Massnahme der EZB an, sondern auch die Nationalität von
Mario Draghi, dem Präsidenten der EZB, der ein Italiener ist.
Europa im Vergleich der wirtschaftlichen Entwicklung während
der Great Depression in den 1930er Jahren und der Great Recession 2008- bis heute,
Graph: Prof. Paul Krugman
Was hier laut Krugman beängstigend
ist die Art und Weise die Wende zu „Teutons versus Latins“, während die
Gemeinschaftswährung auseinander bricht. Der Euro sollte eigentlich Europa
zusammenbringen.
Was ist also da los? Einiges davon sind nationale
Stereotypen: die deutsche Öffentlichkeit ist ewig gegen die Aussicht, dass die
faulen Südeuropäer sie um ihr hart verdientes Geld bringen. Aber es gibt hier
auch ein echtes Problem, erklärt Krugman. Die Deutschen hassen Inflation. Wenn
es der EZB aber gelingt, die durchschnittliche Inflation im Euro-Raum wieder
auf rund 2% zu bringen, müsste die Inflation in Deutschland steigen, und zwar wesentlich
höher als das, vielleicht auf 3% oder mehr.
Das mag sich schlecht anhören.
Aber es ist, wie der Euro funktionieren soll. In der Tat ist es die Art und
Weise, wie es funktioniert. Wenn man eine Gemeinschaftswährung hat, mit anderen
Ländern, dann wird man manchmal eine überdurchschnittliche Inflation haben, so
Krugman.
Das wirklich Traurige ist, dass
der Euro Europa zusammen bringen sollte, sowohl materiell als auch symbolisch.
Es sollte engere wirtschaftliche Beziehungen ermöglichen, auch wenn es ein
Gefühl der gemeinsamen Identität fördert. Was wir stattdessen erfahren, ist ein
Klima von Wut und Verachtung seitens Gläubigern gegenüber Schuldnern. Und das
Ende ist noch nicht in Sicht, fasst Krugman als Fazit zusammen.
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