Freitag, 15. November 2013

Euro zwischen Wut und Verachtung

Die neuen Daten zur Entwicklung der Konjunktur in Europa lassen viel zu wünschen übrig. Die Industrieproduktion im Euro-Raum ist im September um 0,5% gefallen. Das deutsche BIP ist im dritten Quartal um 0,3% gewachsen. Die Stagnation hält an. Die Arbeitslosigkeit verharrt auf einem Rekordhoch.

Vor diesem Hintergrund schreibt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („The Money Trap“) am Freitag in NYTimes, dass die europäischen Behörden vor nicht lange her erklärten, dass der Kontinent über den Berg sei. Aber jetzt droht das Gespenst der Deflation über weite Strecken Europas. Und die EZB hat vergangene Woche die Zinsen gesenkt. Die Aktion macht bestenfalls nur einen marginalen Unterschied aus. Aber es ist dennoch ein Schritt in die richtige Richtung, hält Krugman fest.

Doch der Zinsschritt ist enorm umstritten. Und der Streit nimmt eine bedrohliche Form an, zumindest für alle, die sich an Europas schreckliche Geschichte erinnern.

Die Streitigkeiten über europäische Geldpolitik sind nicht nur eine Schlacht der Ideen, sondern sie klingen auch wie der Streit unter Nationen.

Zum Beispiel: Wer hat gegen die Zinssenkung gestimmt? Die beiden deutschen Mitglieder des geldpolitischen Ausschusses der EZB, begleitet von Vertretern der niederländischen und der österreichischen Zentralbanken.

Wer hat sonst ausserhalb der EZB die Zinssenkung kritisiert? Deutsche Ökonomen greifen nicht nur die Substanz der zinspolitischen Massnahme der EZB an, sondern auch die Nationalität von Mario Draghi, dem Präsidenten der EZB, der ein Italiener ist.



Europa im Vergleich der wirtschaftlichen Entwicklung während der Great Depression in den 1930er Jahren und der Great Recession 2008- bis heute, GraphProf. Paul Krugman



Was hier laut Krugman beängstigend ist die Art und Weise die Wende zu „Teutons versus Latins“, während die Gemeinschaftswährung auseinander bricht. Der Euro sollte eigentlich Europa zusammenbringen.

Was ist also da los? Einiges davon sind nationale Stereotypen: die deutsche Öffentlichkeit ist ewig gegen die Aussicht, dass die faulen Südeuropäer sie um ihr hart verdientes Geld bringen. Aber es gibt hier auch ein echtes Problem, erklärt Krugman. Die Deutschen hassen Inflation. Wenn es der EZB aber gelingt, die durchschnittliche Inflation im Euro-Raum wieder auf rund 2% zu bringen, müsste die Inflation in Deutschland steigen, und zwar wesentlich höher als das, vielleicht auf 3% oder mehr.

Das mag sich schlecht anhören. Aber es ist, wie der Euro funktionieren soll. In der Tat ist es die Art und Weise, wie es funktioniert. Wenn man eine Gemeinschaftswährung hat, mit anderen Ländern, dann wird man manchmal eine überdurchschnittliche Inflation haben, so Krugman.

Das wirklich Traurige ist, dass der Euro Europa zusammen bringen sollte, sowohl materiell als auch symbolisch. Es sollte engere wirtschaftliche Beziehungen ermöglichen, auch wenn es ein Gefühl der gemeinsamen Identität fördert. Was wir stattdessen erfahren, ist ein Klima von Wut und Verachtung seitens Gläubigern gegenüber Schuldnern. Und das Ende ist noch nicht in Sicht, fasst Krugman als Fazit zusammen.

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