Mario Draghis Pressekonferenz vom 06. Juni 2013 war facettenreich. Der EZB-Präsident hat am vergangenen Donnerstag vor Journalisten erklärt, dass folgende Faktoren für „die Erholung der Wirtschaft in der Eurozone“ verantwortlich sind: (1) Ausfuhren, v.a. in Deutschland, Spanien und Italien, (2) die akkommodierende Geldpolitik der EZB, die „allmählich ihren Weg durch die Volkswirtschaften“ finden werde, (3) die niedrige Inflation, die die Kaufkraft der Menschen steigere und (4) der sog. Vermögenseffekt (wealth effect).
Heiner Flassbeck befasst sich in seinem Blog ausführlich mit Vorurteilen und Missverständnisssen der EZB. Ich
möchte hier versuchen, die scharfsinnige Analyse von Flassbeck kurz
zusammenzufassen.
Ad 1) Draghi hebt insbesondere
die Exportstärke Deutschlands hervor. Deutschlands Exportstärke in der EWU
bedeutet aber Exportschwäche im Rest der EWU. Denn in einem Währungsraum mit
einer gemeinsamen Währung gilt, dass die Ausgaben des einen die Einnahmen des
anderen sind. Darüber verliert Draghi jedoch kein Wort. Bemerkenswert ist, dass
die EZB auf den Export setzt, weil im Binnenmarkt offenbar nichts geht. Das heisst,
wenn das Ausland ein Konjunkturprogramm à la Keynes umsetzt, um die schwache
gesamtwirtschaftliche Nachfrage anzukurbeln, will die Eurozone gern davon
profitieren. Selbst lehnt sie aber die Ankurbelung der Nachfrage in der EWU mit
Fiscal Stimulus strikt ab.
Reallöhne und Arbeitslosigkeit in
Südeuropa, Graph: Prof. Heiner Flassbeck
Ad 2) Hoffnungen beruhen auf den
Transmissionmechanismus der Geldpolitik. Aber es sind weit und breit keine
Belebung der Sachinvestitionen in der Eurozone zu erkennen. Zumal die
Fiskalpolitik restriktiv bleibt und keine positive Impulse gibt.
Ad 3) Bedeutet fallende Inflation
höhere Einkommen für die Bürger in der Eurozone? Nein. Der Rückgang der
Inflation (oder weniger steigende Preise) ist in erster Linie die Folge der
fallenden oder weniger steigenden Einkommen in Europa. Das Argument ist also
völlig falsch. Die Bürger haben nicht mehr Geld in der Tasche, sondern weniger,
weil die EU versucht, die Wettbewerbsfähigkeit in der EWU durch internal devaluation (Anpassung der Löhne und Preise nach unten) herbeizuführen. Das Ergebnis der von Frau Merkel verordneten
Politik, die von Draghi gern umgesetzt wird, ist Deflation. Ohne hohe Nachfrage und/oder stark steigende Kosten kann es keine
Inflation geben.
Ad 4) Draghi nimmt allem Anschein
nach die Entkopplung von Finanzwirtschaft und Realwirtschaft wohlwollend in
Kauf, wenn er Vermögenseffekte unterstreicht.
Zu guter Letzt hat Draghi behauptet, dass die Arbeitslosigkeit
die Ursache der Einkommensschwäche sei. Das heisst, dass der EZB-Chef die Welt auf
den Kopf stellt. Der von der Troika auf die Einkommen und die Löhne ausgeübte
Druck (Austeritätspolitik) ist die Ursache des steilen Anstiegs der Arbeitslosigkeit. Wie man in der Abbildung sehen kann, beginnen die Reallöhne
ab 2010/11 zu sinken, und zwar in Folge von massiven Lohnkürzungen. Die von der
Neoklassisch versprochene positive Wirkung auf die Beschäftigung bleibt aber aus.
Fazit: Die von der EU verfolgte falsche Fiskal- und Lohnpolitik bedeutet hohe Arbeitslosigkeit und menschliches Leid in Millionenhöhe und vielleicht auch das Ende von Euro.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen