Montag, 10. Juni 2013

Abenomics und Verlauf der Zinsen

(Nur für Streber)

Es war Richard Koo, der von Anfang an auf die Verbraucher, die durch die Schulden eingeschränkt sind, hingewiesen hat. Der Chef-Ökonom von Nomura Research Institute, Tokio hat erklärt, dass ein Land, das in einer Bilanzrezession steckt, unter überschüssigen Ersparnissen leidet. Während der Prozess des Schuldenabbaus (deleveraging) anhalte, gelte es, die Nachfragelücke zu füllen. In einer Bilanz-Rezession (balance sheet recession) sind daher staatliche Ausgaben nötig, um die Wirtschaft anzukurbeln. Sonst droht ein Double-dip, ein erneuter Rückfall in die Rezession, legte Koo dar.

Und er hat recht damit: Wenn einer spart, muss ein anderer Schulden machen. Denn eine Volkswirtschaft kann als Ganzes nicht Geld ansparen. Jemand muss das angesparte Geld immer aufnehmen, also sich verschulden, um zu investieren, wie Heiner Flassbeck erläutert. Findet der Privatsektor keine Verwendung für die Ersparnisse, kann der Staat seine Schulden damit finanzieren.

Erst wenn der Privatsektor beginnt, wieder netto neue Schulden aufzunehmen, zeigt sich, dass die Bilanzrezession vorüber ist. Koo hat vor diesem Hintergrund mehrmals dargelegt, wie Japan durch die frühzeitige Rücknahme der fiskalpolitischen Impulse 1997 unter der Regierung Hashimoto und 2001 unter der Regierung Koizumi den Fehler beging, vor der Erholung der Wirtschaft nocheinmal in Rezession zu geraten. Koo vertritt jedoch die Ansicht, dass eine expansive Geldpolitik bei der Bekämpfung einer Bilanzrezession unwirksam ist, weil die Wirtschaft in einer Liquiditätsfalle steckt. Daher hält der amerikanische Ökonom die „monetäre Reflation durch Abenomics“ für „wahnsinnig“.

Was versteht man aber unter „Abenomics“? Ganz kurz: ultra-lockere Geldpolitik und ein erhöhtes Inflationsziel. Was ist bisher unter Abenomics geschehen? Die japanischen Aktien sind kräftig gestiegen. Der Yen hat an Wert verloren. Und die langfristige japanischen Zinsen sind etwas angestiegen, obwohl sie immer noch sehr niedrig sind. Ist es ein Rätsel? Es gibt einige Markt-Beobachter, die ein Paradoxon darin erkennen. Warum es aber kein Paradoxon ist, hat Nick Rowe neulich in seinem Blog erklärt.

Koos heftiger Widerstand gegen die monetäre Expansion ist jedoch nicht gerechtfertigt, ja sogar überhaupt nicht gerechtfertigt, wenn man seine dazu zugrunde liegende Analyse berücksichtigt, wie Paul Krugman in seinem Blog bemerkt. Eine Geldpolitik, die darauf abzielt, die Inflationserwartungen etwas zu erhöhen, könnte heute eine Abhilfe schaffen.  Aber wie oben beschrieben, ist Koo dagegen.

Vielleicht liegt das Problem darin, dass Koo eine Wirtschaft sieht, wo jeder durch Schulden eingeschränkt ist, im Gegensatz zu der Ansicht, dass viele Menschen durch die Bilanz-Rezession eingeschränkt ist. Wo es Schuldner gibt, muss es auch Gläubiger geben, sodass es zumindest einige Leute geben wird, die auf niedrige Realzinsen reagieren, selbst wenn die Wirtschaft in einer Bilanz-Rezession steckt, hebt Krugman zu Recht hervor.

Wenn das Problem ein Schuldenüberhang (debt overhang) ist, wäre die Inflation, die Schulden erodiert, nicht eine gute Sache? Koos Opposition gegen die Erhöhung der Inflationserwartungen durch die Bank of Japan (BoJ) ist daher schwer nachzuvollziehen. Der Verlauf der Zinsen in Japan ist deswegen kein Rätsel, zumindest so weit nicht. Während die nominalen Zinsen steigen mögen, fallen die Realzinsen, was Japans Schulden weniger nachhaltig macht. Abenomics funktioniert also aus fiskalischer Sicht, auch wenn die langfristigen Zinsen dabei etwas ansteigen.

Update:

Der zweitletzte Satz im letzten Abschnitt ist wahrscheinlich nicht ganz deutlich formuliert worden. Hier ist eine Ergänzung:

Die Idee ist, die Verschuldung, dadurch auswaschen zu lassen, dass man vorübergehend einen Anstieg der Inflation toleriert. Das heisst: Lässt man eine etwas höhere Inflation zu, verliert die bereits bestehende Schuldenlast real an Wert und wird damit tragbarer.



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