Es war Richard Koo, der von Anfang an auf die Verbraucher, die durch die Schulden
eingeschränkt sind, hingewiesen hat. Der Chef-Ökonom von Nomura Research Institute, Tokio hat erklärt, dass ein Land, das in
einer Bilanzrezession steckt, unter
überschüssigen Ersparnissen leidet. Während der Prozess des Schuldenabbaus (deleveraging) anhalte, gelte es, die
Nachfragelücke zu füllen. In einer Bilanz-Rezession (balance sheet recession) sind daher staatliche Ausgaben nötig, um
die Wirtschaft anzukurbeln. Sonst droht ein Double-dip, ein erneuter Rückfall
in die Rezession, legte Koo dar.
Und er hat recht damit: Wenn einer
spart, muss ein anderer Schulden machen. Denn eine Volkswirtschaft kann als
Ganzes nicht Geld ansparen. Jemand muss das angesparte Geld immer aufnehmen,
also sich verschulden, um zu investieren, wie Heiner Flassbeck erläutert. Findet der Privatsektor keine Verwendung für die
Ersparnisse, kann der Staat seine Schulden damit finanzieren.
Erst wenn der Privatsektor
beginnt, wieder netto neue Schulden aufzunehmen, zeigt sich, dass die
Bilanzrezession vorüber ist. Koo hat vor diesem Hintergrund mehrmals dargelegt,
wie Japan durch die frühzeitige
Rücknahme der fiskalpolitischen Impulse 1997 unter der Regierung Hashimoto und
2001 unter der Regierung Koizumi den Fehler beging, vor der Erholung der
Wirtschaft nocheinmal in Rezession zu geraten. Koo vertritt jedoch die Ansicht,
dass eine expansive Geldpolitik bei der Bekämpfung einer Bilanzrezession
unwirksam ist, weil die Wirtschaft in einer Liquiditätsfalle steckt. Daher hält der amerikanische Ökonom die „monetäre
Reflation durch Abenomics“ für „wahnsinnig“.
Was versteht man aber unter „Abenomics“? Ganz kurz: ultra-lockere Geldpolitik und ein erhöhtes
Inflationsziel. Was ist bisher unter Abenomics geschehen? Die japanischen Aktien sind kräftig gestiegen. Der Yen hat
an Wert verloren. Und die langfristige japanischen Zinsen sind etwas angestiegen, obwohl sie immer noch
sehr niedrig sind. Ist es ein Rätsel? Es gibt einige Markt-Beobachter, die ein Paradoxon darin erkennen. Warum es aber kein Paradoxon
ist, hat Nick Rowe neulich in seinem Blog erklärt.
Koos heftiger Widerstand gegen
die monetäre Expansion ist jedoch nicht gerechtfertigt, ja sogar überhaupt
nicht gerechtfertigt, wenn man seine dazu zugrunde liegende Analyse
berücksichtigt, wie Paul Krugman in seinem Blog bemerkt. Eine Geldpolitik, die darauf abzielt, die
Inflationserwartungen etwas zu erhöhen, könnte heute eine Abhilfe
schaffen. Aber wie oben beschrieben, ist
Koo dagegen.
Vielleicht liegt das Problem
darin, dass Koo eine Wirtschaft sieht, wo jeder durch Schulden eingeschränkt
ist, im Gegensatz zu der Ansicht, dass viele Menschen durch die
Bilanz-Rezession eingeschränkt ist. Wo es Schuldner gibt, muss es auch
Gläubiger geben, sodass es zumindest einige Leute geben wird, die auf niedrige
Realzinsen reagieren, selbst wenn die Wirtschaft in einer Bilanz-Rezession steckt, hebt Krugman zu Recht hervor.
Wenn das Problem ein
Schuldenüberhang (debt overhang) ist,
wäre die Inflation, die Schulden erodiert, nicht eine gute Sache? Koos
Opposition gegen die Erhöhung der Inflationserwartungen durch die Bank of Japan
(BoJ) ist daher schwer nachzuvollziehen. Der Verlauf der Zinsen in Japan ist
deswegen kein Rätsel, zumindest so weit nicht. Während die nominalen Zinsen
steigen mögen, fallen die Realzinsen, was Japans Schulden weniger nachhaltig
macht. Abenomics funktioniert also aus fiskalischer Sicht, auch wenn die
langfristigen Zinsen dabei etwas ansteigen.
Update:
Der zweitletzte Satz im letzten Abschnitt ist wahrscheinlich
nicht ganz deutlich formuliert worden. Hier ist eine Ergänzung:
Die Idee ist, die Verschuldung, dadurch auswaschen zu
lassen, dass man vorübergehend einen Anstieg der Inflation toleriert. Das
heisst: Lässt man eine etwas höhere Inflation zu, verliert die bereits bestehende
Schuldenlast real an Wert und wird damit tragbarer.
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