Freitag, 3. Juni 2011

Paul Krugman erklärt Kerninflation

(Wonkish)

„Die Kerninflation ist für die Zentralbanken auf der ganzen Welt nicht mehr ein sehr nützlicher Indikator für die Geldpolitik und sie sollte daher aufgegeben werden“, schreibt Lorenzo Bini Smaghi in einem wunderlichen Kommentar („Ignoring the core can keep inflation at bay“) in FT. Das mag eine lange Zeit in Anspruch genommen haben, aber wie die Römer zu sagen pflegten, errare humanum est, perseverare diabolicum“ („irren ist menschlich, aber auf Irrtümern zu bestehen ist teuflisch“), unterstreicht das italienische Mitglied des Direktoriums der EZB.

Was ist davon zu halten? Eigentlich nichts. „LBS bietet in einem starrköpfigen Kommentar einige sehr schlecht gerahmte Argumente für die Verwendung der allgemeinen Inflation (headline inflation) anstelle von Kerninflation (core inflation), um Geldpolitik zu betreiben“, bemerkt Paul Krugman in seinem Blog. LBS scheint im Grunde genommen über den Unterschied zwischen Niveaus und den Veränderungsraten verwirrt, wie auch Brad DeLong in seinem Blog hervorhebt. Bemerkenswert ist, dass LBS bei der EZB als einen tiefen Denker gilt. Warum wohl? Keine Ahnung.


Vorhersage-Genauigkeit für Inflation (CPI), Graph: Mike Bryan, Federal Reserve Bank of Atlanta, and Brent Meyer, Federal Reserve Bank of Cleveland

Krugman (auch Mark Thoma) deutet auf Mike Bryan und Brent Meyer hin, die gerade eine nützliche Analyse im Hinblick auf die allgemeine Inflation und die Kerninflation vorgelegt haben. Die Ökonomen (Bryan im Dienst von Fed Atlanta und Meyer im Dienst von Fed Cleveland), fragen, auf welche rückwärtsgewandte Messgrösse für die Inflation geachtet werden soll, wenn man die allgemeine Inflation über die mittlere Sicht (definiert als 36 Monate) prognostizieren will.

Die Abbildung besagt, dass Sie, wenn Sie die Inflation in den nächsten 3 Jahren vorhersagen wollen, nicht auf die Inflation in den vergangenen 3 oder 6 Monaten, sondern auf die Inflation in den vergangenen 3 Jahren blicken sollen. Und wenn Sie aus irgendeinem Grund eine kürzere historische Periode verwenden wollen, weil Sie beispielsweise denken, dass es grosse geldpolitische Verlagerungen mag gegegen haben, sollten Sie die Kerninflation, nicht die allgemeine Inflation benutzen, hält Krugman fest.


36-Monate Inflation (USA), Graph: Prof. Paul Krugman
Die blaue Kurve: die allgemeine Inflation, die rote Kurve: die Kerninflation

Wie man sehen kann, ist die 36-Monate-Inflation während der Mitte 2000er Jahren ein besserer Indikator für die eigene Zukunft gewesen, weil es der Kerninflation nicht gelungen ist, den anhaltenden Anstieg der Rohstoffpreise aufzufangen. Dies hat sich aber nach dem Platzen der Rohstoffpreise von 2007-2008 umgekehrt.

Der eigentliche Punkt hier ist aber, dass Sie, wenn Sie die allgemeine Inflation als Vorhersage benutzen wollen, eine ordentlich lange zeitliche Verzögerung verwenden müssen, wie z.B. die allgemeine Inflation über die vergangenen 3 Jahre. Und die allgemeine Inflation war in den vergangenen 3 Jahren niedrig.

Der Punkt ist, dass es eine Art Lockvogeltaktik auf Seiten der Inflationistas (siehe auch hier) gibt, die auf die Ergebnissse verweisen, die nahelegen, dass Sie die allgemeine Inflation genau so gut wie die Kerninflation verwenden können, um mittelfristige Prognosen zu erstellen. Das sind jedoch Ergebnisse, die nicht von der Benutzung der hochfrequenten Inflationsdaten abhängen, sondern von der Benutzung des Durchschnitts der mehreren Jahre. Und sie fordern dann eine Straffung der Geldpolitik basierend auf kurzfristige Inflationsmessgrössen, wenn die langfristigen Inflationsmessgrössen, die ja statistisch funktionieren, keine Ergebnisse liefern.

Fazit: Welche Messgrösse für die Inflation Sie auch bevorziehen, es gibt keinen Grund, die Geldpolitik zu straffen, fasst Krugman als Schlussfolgerung zusammen.


Und weitere informative Erläuterungen von Prof. Krugman zu


Logik der Kerninflation (hier),
Sticky Price Inflation (hier),
Kerninflation: Konzept (hier). 










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