Sonntag, 19. Juni 2011

Euro-Krise: Was sind reale Kosten?

Paul Krugman befindet sich zur Zeit in Europa auf einer Radtour. Dann steht die Teilnahme an der Konferenz an der University of Cambridge auf dem Programm. Es liegt nahe, dass der Träger des Wirtschaftsnobelpreises sich dazwischen mit der Euro-Krise beschäftigt.

Die Reaktion der europäischen Entscheidungsträger und der Institutionen auf die Krise Griechenlands ist ein unvergesslicher Anblick. Im Grunde genommen läuft es auf die Tatsache hinaus, dass ein Zahlungsausfall (default) sehr unbequem ist, sowohl in praktischer Hinsicht als auch in Bezug auf’s Prestige. Deshalb darf default nicht als Möglichkeit in Betracht gezogen werden, auch wenn es seit langem klar ist, dass nicht-default keine Option ist, beschreibt Krugman in seinem Blog.

Es fragt sich daher, ob die Entscheidungsträger das Problem weiter vor sich hinschieben werden? Krugman weiss es nicht. Was er weiss, ist aber, dass die Kosten dieser Strategie der Verzögerung schlecht missverstanden wird.

Er sehe immer wieder Aussagen darüber, dass die Verzögerung einer vollen Auflösung der griechischen Situation Hunderte von Milliarden Euro koste, weil die Schätzungen über die Grösse der benötigten Finanzhilfe weiter steigen, so Krugman. Solche Berechnungen gehen aber am Thema vorbei, erklärt der an der Princeton University lehrende Wirtschaftsprofessor. Der Europäische Stabilisierungsfonds ist kein Transfer-Programm. Es ist eine Kreditlinie, die geschaffen wurde, um Liquidität bereitzustellen, um vorübergehende Cash-Engpässe zu unterbinden. Da das nicht das eigentliche Problem ist, ist die Grösse des Fonds ein Mass für die europäische Einbildung, nicht die Kosten der Rettungsaktionen (bailouts).

Auch Griechenland ist wie eine texanische Sparkasse in den 1980er Jahren: Einlagensicherung + Deregulierung, was die Abzocke noch grösser werden lässt, wobei die eventuellen Kosten der Rettungsaktion gesprengt werden.

Was sind also die realen Kosten der Aufschiebung des Problems vor sich hin? Es gibt zwei Möglichkeiten: (1) Die Kosten für Europa als Ganzes, einschliesslich Griechenlands und (2) Die Kosten für Europa ohne Griechenland.

Ad (1) Die Verzögerung der Kosten sind die realen Kosten für die griechische Wirtschaft. Die Aufschiebung einer realistischen Lösung des Schuldenproblems bedeutet eine Verlängerung der Periode der hohen Arbeitslosigkeit und einer depressiven Produktion. Zusammengerechnet mit der Produktionslücke (output gap) ergibt sich daraus die tatsächlichen Kosten für die Verzögerung.

Ad (2) Die Kosten der Verzögerung sind, was auch immer die Aufschiebung zur Verringerung des Betrags, den Griechenland schliesslich an seine Gläubiger zahlen muss, bringt. An dieser Stelle sind die Forderungen nach noch strengeren Sparmassnahmen kontraproduktiv, auch im Hinblick auf die Interessen der Gläubiger, erläutert Krugman.

Die griechische Wirtschaft leidet unter langfristigen Schäden. Die griechische politische Szene radikalisiert sich laut Krugman und die Chancen, dass Griechenland seinen Gläubigern „verschwindet!“ sagt, während es die neue Drachme abwertet, steigen.

Fazit: In jedem Fall, was Sie nun fragen müssen, ist, warum Europa wartet. Warum sollen die um weitere sechs Monate verlängerten Kreditlinien und das Leiden die Situation verbessern?


Update:
Hier ist Krugmans Entwurf für seine Rede auf der Keynes Konferenz an der University of Cambridge: Mr. Keynes and The Moderns, June 18, 2011


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