Dienstag, 28. Juni 2011

Makroökonomie: „Nichts-tun“ gibt es nicht

(Wonkish)

Angenommen, der Wunsch, zu sparen, steigt und die geld- und fiskalpolitischen Autoritäten tun nichts. Was passiert? Das ist die wichtigste praktische Frage mit Bezug auf die Makroökonomie in den letzten Jahren, bemerkt Nick Rowe im Blog Worthwhile Canadian Initiative. Und es ist auch eine wirklich dumme Frage.

Um zu verstehen, warum es eine dumme Frage ist, ist die Veränderung der Art und Weise, wie die Frage gestellt wird, die wichtigste praktische Aufgabe der makroökonomischen Theorie, nicht nur in der akademischen Welt, sondern auch in der realen Welt, unterstreicht der an der Carleton University, Kanada lehrende Wirtschaftsprofessor.

Rowe beginnt mit der Definition von „sparen“ (saving). In der Makroökonomie wird „sparen“ als „einen Teil des verfügbaren Einkommens nicht für neu produzierte Konsumgüter und Dienstleistungen ausgeben“ definiert. Das ist eine rein negative Beschreibung. Und es lädt eine ergänzende Frage: OK, wenn Sie also das Geld nicht für neu produzierten Vebrauchsgüter und Dienstleistungen ausgeben, was tun Sie mit Ihrem verfügbaren Einkommen?

Nur wenige Ökonomen würden jemals diese Frage stellen, was bedauerlich ist, weil die Antwort auf die Frage von entscheidender Bedeutung ist, betont Prof. Rowe. Angenommen, Sie sind ein keynesianischer Ökonom: Ihre unmittelbar instiktive Antwort auf die Frage wäre, dass ein Anstieg der gewünschten Ersparnisse zu einer Rezession führen würde, wenn die geld- und fiskalpolitischen Autoritäten dabei nichts unternähmen.

„Wenn Sie aber innehalten und die Zusatzfrage stellen würden, und ich darauf antworten würde, dass die Leute, die sparen, entscheiden würden, neu hergestellte Investmentgüter zu kaufen anstelle von neu hergestellten Verbrauchsgütern, dann würden Sie aufhören, über Rezession zu reden“, legt Rowe dar.

Was haben Sie aber über die ergänzende Frage implizit vorausgesetzt, als Sie die erste Frage beantwortet haben. Haben Sie implizit vorausgesetzt, dass die Leute antike Möbel, oder Land, oder Anleihen oder Geld oder etwas anderes kaufen würden? Und die meisten von Ihnen werden nun bestimmt innehalten und darüber nachdenken, was Sie implizit vorausgesetzt haben, ob es darauf ankommt, ob antike Möbel oder Land oder Anleihen oder Geld oder was auch immer?

Was dies bedeutet, ist, dass Rowe die ursprüngliche Frage manipuliert hat, um dem Leser eine bestimmte Antwort zu entlocken. In Politik heisst es „push-polling“, wenn politische Meinungsforscher es tun. Aber es muss nicht beabsichtigt sein. Es ist etwas, was wir uns selbst tun können, beschreibt Rowe. Wir stellen uns eine Frage in einer bestimmten Art und Weise, und die Art, wie wir fragen, beeinflusst die Art, wie wir darüber nachdenken und darauf antworten.

Saving“ ist ein „Nichts tun“-Konzept. Wenn wir sparen, tun wir nichts mit unserem Einkommen. Wenn die Ersparnisse steigen, wollen die Menschen sogar noch mehr nichts tun. Aber es gibt 1001 verschiedene Wege von „nichts tun“. Und es kommt darauf an, welchen Weg Sie wählen, legt Rowe dar.

Bezogen auf die geld- und finanzpolitischen Behörden von „nichts tun“ zu reden, ist problematisch. Heisst es, einen Zinssatz festzuhalten? Oder die Geldmenge festzuhalten? Den Wechselkurs festzuhalten? Den Goldpreis festzuhalten? Das Inflationsziel festzuhalten? Das nominale BIP festzuhalten? Oder was?

Zum Schluss betont Rowe, dass die Ausführungen sich auf die jüngsten Beiträge von David Beckworth und Paul Krugman in Sachen Bilanz Rezessionen (balance sheet recession) beziehen. Die Hälfte der Bevölkerung hat Schulden gegenüber der anderen Hälfte der Bevölkerung. Dann passiert etwas, und der Schuldner kann nicht mehr Kredit aufnehmen und entsparen. Niemand will Kredit an sie gewähren, sodass sie in Sachen Kreditaufnahme gefesselt sind. Und sie verbrauchen daher weniger. Die gesamten Ersparnisse steigen und die Zentralbank hat den Zinssatz bereits auf 0% gedrückt, sodass sie nichts tun kann. Es gibt also Rezession, es sei denn, die fiskalpolitischen Autoritäten unternehmen etwas.

Die Schuldner nehmen bei den Gläubigern keinen Kredit mehr auf. Die Gläubiger vergeben an die Schuldner keinen Kredit mehr. Das sind zwei verschiedene Arten von Beschreibung desselben Vorgangs, schildert Rowe. Die erste klingt so, wie wenn es zu einem Anstieg der gesamten Ersparnisse käme, da diejenigen, die entsparen, keinen Kredit mehr aufnehmen. Die zweite klingt so, wie wenn es zu einem Rückgang der Ersparnisse käme, da die Sparer keinen Kredit mehr gewähren. Was tun die Sparer, wenn sie nicht mehr Kredit an die Schulder vergeben? Sie können nicht einfach nichts tun.

Was kann die Geldpolitik tun, um das Problem zu lösen, falls es ein Problem gibt? Wenn die Menschen die Geldpolitik auf eine andere Weise auffassen, dann kann die Geldpolitik etwas verrichten, ohne zu versprechen, in Zukunft etwas zu tun. Roosevelt hat es getan, argumentiert Rowe. Und der einzige Unterschied zwischen damals und heute ist, welche Auffassung die Menschen davon haben, was die Zentralbank tun kann und wie die Zentralbank nichts tut. Die Veränderung in der Wahrnehmung darüber, was „nichts tun“ bedeutet, hat dazu geführt, dass Roosevelts konkrete Politik nun wie ein Vertrauen Fee (confidence fairy) aussieht, fasst Prof. Rowe als Fazit zusammen.

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