Sonntag, 6. Juli 2014

Schweden im Netz von Sadomonetarismus

Schweden hat im Verlauf der Finanzkrise von 2008 eine restriktivere Geldpolitik verfolgt als es notwendig gewesen wäre, um das Inflationsziel einzuhalten.

Die Riksbank hat trotz der hohen Arbeitslosigkeit und der niedrigen Inflation die Zinsen erhöht. Die Politik des knappen Geldes (tight money) hat nicht nur den Anstieg der Schulden im Land verhindert, sondern auch die Wirtschaft in die Deflation gestürzt.

Zudem hat der von der Riksbank ausgelöste Rückgang der Inflation die reale Last der Schulden der privaten Haushalte erhöht. Und der deflationäre Druck hat die Beschäftigungslage verschlechtert.

Die schwedische Zentralbank hat eingesehen, dass sie sich selbst ein Ei gelegt hat. Am 2. Juli hat sie die Geldpolitik gelockert: Der Repo-Satz wurde um 0,5% auf 0,25% gesenkt. Der geldpolitische Ausschuss hat mitgeteilt, dass ein sogar niedrigerer Zinssatz erforderlich ist, um die Inflation wieder auf den Zielwert von 2% hochzuschieben.

Lars E.O. Svensson erklärt in einem lesenswerten Artikel („Why leaning against the wind is the wrong monetary policy Sweden”) in voxeu, warum das „Konzept des Gegensteuerns“ („leaning against the wind”) von Anfang an falsch war.


Reposatz der schwedischen Zentralbank (Riksbank), Graph: Riksbank in: Monetary Policy Report, July 2014


Den von der Riksbank kürzlich veröffentlichten Schätzungen zufolge ist der Nutzen der restriktiven Geldpolitik völlig unbedeutend im Vergleich zu den Kosten in Form von höherer Arbeitslosigkeit und niedrigerer Inflationsrate.

Der gesamte Nutzen entspricht etwa dem 0.0038x der Kosten in den kommenden Jahren. Das heisst, dass der Nutzen ca. 0,4% der Kosten ausmacht.

Da die Inflation unter den Zielwert der Riksbank und den Erwartungen der privaten Haushalte abgerutscht ist, hat die bisherige Geldpolitik die reale Last der Verschuldung erhöht und zugleich auch die Arbeit der schwedischen Finanzmarktaussicht (FI: Finansinspektionen) erschwert, um solche Risiken zu verringern, unterstreicht der an der Stockholm University lehrende Wirtschaftsprofessor.


Schweden: Produktionslücke (output gap), Graph: Riksbank in: Monetary Policy Report, July 2014

Der (deutlich mehr als notwendig) restriktivere geldpolitische Kurs hat laut Svensson (1) zu höheren Kosten in Form einer höheren Arbeitslosigkeit (um ca. 1,2% höher als sonst der Fall gewesen wäre) geführt. Und (2) notiert die Inflationsrate zwei Prozent tiefer als der Zielwert und die Inflationserwartungen der privaten Haushalte und verbleibt damit nahe Nullzinsgrenze (zero lower bound).

Paul Krugman findet die ganze Entwicklung in seinem Blog staunenswert und fasst die fatalistische Vorstellung, trotz Niedriginflation die Zinsen zu erhöhen, weil Hyperinflation um die Ecke lauere und/oder Finanzstabilität gefährdet sei, als Produkt des Sadomonetarismus zusammen.

Exkurs:

Mehr zum Thema „leaning against the wind“ („eine aktivistische, anti-zyklische Geldpolitik) Terminus hier und hier.

1 Kommentar:

TomW hat gesagt…

Steve Keen zeigt in seinem Modell, dass der Versuch eines Staates (erdölexportierende Länder ausgenommen), Haushaltsüberschüsse zu erzielen, in der Krise endet.

Faktisch muss ein Staat kontinuierlich ein leichtes Defizit erzielen, dass faktisch über die Zentralbank finanziert wird, um Wachstum zu erzeugen, weil die Wirtschaft zur Erzielung des Wachstums diesen Geldzufluss braucht.

Erzielt er hingegen einen Überschuss, entzieht der Staat der Realwirtschaft Geld und es kommt unmittelbar zur Krise (s. Schweden, das seit Beginn der Euro- und Finanzkrise seine Haushaltspolitik dramatisch verändert hat und spart und Überschüsse anhäuft) oder das fehlende Geld wird über die Verschuldung privater Haushalte erzeugt - mit allen erwartbar negativen Folgen.

In der Eurozone haben wir dazu den paradoxen Zustand, dass die Staaten sparen, während die Zentralbanken ihre Geldpolitik lockern, mit der Folge, dass das Geld nicht dort ankommt, wo es hin soll: in der Realwirtschaft. D.h. während die Zentralbank das Geld an dem einen Ende des Rohrs hineinsteckt, schnürt der Staat dieses Rohr am anderen Ende zu oder versucht sogar noch, auch von dieser Seite noch Geld hineinzustopfen, das er der Realwirtschaft enzieht.

Die Ursache liegt in der falsch angenommenen Analogie, der Staat wäre nur ein weiterer Haushalt. Faktisch wirkt er in Bezug auf die Realwirtschaft aber wie eine Bank: er speist die Wirtschaft.