Samstag, 12. Juli 2014

Das Schimpfen auf niedrige Zinsen nimmt kein Ende

Die Frage, ob Niedrigzinsen für Spekulationsblasen an den Vermögensmärkten verantwortlich sind, hat in den vergangenen Tagen durch den aktuellen Jahresbericht der BIZ (Bank für Internationalen Zahlungsausgleich) erneut an Brisanz gewonnen.

Vollständige Einsichtigkeit deutet darauf hin, dass die niedrigen Zinsen derzeit nicht die Ursache von Übertreibungen an den Finanzmärkten  (Aktien, Rohstoffe, Immobilien usw.), sondern ein Symptom der Finanzkrise von 2008 sind.

Die Zinsen sind niedrig, weil die gesamtwirtschaftliche Nachfrage weit unter dem produktiven Kapazitätsniveau der Wirtschaft liegt, und es hohe Arbeitslosigkeit gibt und das Kapital brachliegt.

Die Niedrigzinsen sind nicht an allem Übel in der Welt schuld. Im heutigen Marktumfeld sind die besonders niedrigen Zinsen sogar von grossem Vorteil. Da der Schuldenabbau-Prozess (deleveraging) im Privatsektor anhält, verringert sich die reale Last der Schulden durch die Niedrigzinsen.

Janet Yellen, Fed-Chefin hat neulich in einem unbedingt lesenswerten Vortrag („Monetary Policy and Financial Stability“) unterstrichen, dass die Finanzstabilität mit der Geldpolitik schwer zu bewerkstelligen ist.

Yellen betont, dass Anpassungen der Zinsen die Volatilität von Inflation und Beschäftigung erhöhen würden. Deshalb seien makroprudenzielle Massnahmen  (z.B. mehr Eigenkapital für Banken) besser geeignet, die Übertreibungen an den Finanzmärkten unter Kontrolle zu halten.


US Leitzinsen (fed funds rate) und die modifizierte Taylor-Regel, Graph: Cecchetti & Schoenholtz in: Is the Fed behind the curve?

Die modifizierte Taylor-Regel besagt, dassa die Geldpolitik der Fed (auch wenn man die Bilanz-Erweiterung der Fed ignoriert) zur Zeit ungewöhnlich stimulierend ist, gemessen im historischen Vergleich in den letzten 30 Jahren.

Die blaue Kurve beruht auf PCE Inflation Daten und der Abweichung der Arbeitslosenquote von deren Gleichgewichtsniveau als Mass für die wirtschaftliche Flaute.

Yellen hebt m.a.W. hervor, dass die konjunkturelle Erholung abgebremst und geschadet werden kann, wenn die Zinsen zu früh oder zu stark angehoben werden.

Die Fed-Chef sieht die potenziellen Gefahren für die Instabilität auf den Finanzmärkten ein. Aber sie legt nahe, dass Disinflation oder gar Deflation die Erholung aus der Great Recession wesentlich erschweren können.

Das Argument, dass die führenden Zentralbanken an den zu tiefen Zinsen Schuld seien, ist ein Beleg dafür, wie die Wirtschaft heute höchst politisiert wird. Die Angebotsökonomen werden nicht müde, mitten in einer schwer angeschlagenen Wirtschaft höhere Zinsen zu fordern. Sie weigern sich, aus politischen Gründen die Evidenz anzuerkennen. Es ist nicht Geldtheorie, sondern Wunschdenken.

Die Fed-Projektionen sagen voraus, dass der Leitzins (fed funds rate) Ende des nächsten Jahres bei rund 1% liegen würde. Die Fed funds Future deuten für denselben Zeitraum einen Leitzins um den Wert „nicht höher als 0,75%“ an. Die Prognose für Ende 2016 lautet „unter 2%“.

Seit 1994 lag die Kerninflation (core PCE inflation) nicht höher als 2 Prozent. David Beckworth argumentiert, dass die Fed seit 2008 für core PCE inflation einen Zielkorridor zwischen 1% bis 2% anstrebt.

Die Fed verfolgt als Ziel nicht die Kerninflation (core inflation), sondern die allgemeine Inflation (headline inflation, genau genommen PCE inflation). Aber sie behält die Kerninflation im Auge, weil die vergangene Kerinflation im Allgemeinen eine bessere Vorhersage zulässt als die vergangene Inflation.

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