Sonntag, 13. Juli 2014

Liquidationisten fordern noch mehr Leid und Schmerzen

Brad DeLong schreibt, dass er den aktuellen Jahresbericht der BIZ nicht verstehe. Er habe mehrmals versucht. Aber vergebens. Er begreife nicht, was die BIZ sagen will.

Was gibt es hier nicht zu verstehen, entgegnet Paul Krugman in seinem Blog. Es geht hier um eine Haltung, nicht um ein schlüssiges Wirtschaftsmodell. Seit zumindest 2010 ist die BIZ-Position dieselbe wie die von Liquidationisten in den 1930er Jahren, erklärt der inzwischen von der Princeton University zum Graduierten Zentrum der City University of New York (CUNY) gewechselten Wirtschaftsprofessor.

Joseph Schumpter hat z.B. damals vor „künstlichen Anreizen“ (artifical stimulus) gewarnt, welche die Arbeit der Depression zunichte machen könnten. Das ist heute die Position der BIZ, intellektuell folgerichtig, aber sachlich falsch, unterstreicht Krugman.

Die BIZ-Angebotsökonomen behaupten heute, dass die Massenarbeitslosigkeit das Ergebnis der „strukturellen Nichtübereinstimmung“ (structural mismatch) ist. Das heisst, dass die Arbeitnehmer angeblich die falschen Fertigkeiten hätten. Oder sie seien in falschen Sektoren. Und deswegen macht die BIZ geltend, dass die lockere Geldpolitik zu einem raschen Anstieg der Inflation führen würde, trotz der hohen Arbeitslosigkeit.

Da das nicht geschehen ist, ist zu erwarten, dass die BIZ ihre wirtschaftspolitischen Verschreibungen korrigiert. Nein. Die BIZ sucht stattdessen nach neuen Rechtfertigungen, um dieselbe Verschreibungen zu wiederholen. Nun behaupten die BIZ-Ökonomen, dass die niedrigen Zinsen die Finanzstabilität gefährden.

Bemerkenswert ist, dass die BIZ betont, dass die Wirtschaft unter einer Bilanzrezession (balance sheet recession) leidet. Das heisst, dass der überschuldete Privatsektor eine dauerhafte Belastung für die gesamte Wirtschaft ausübt.

Das ist eine vernünftige Erklärung. Die BIZ scheint aber die Impilikationen daraus nicht zu begreifen. Oder sie kümmert sich darum nicht. Denn die BIZ behandelt die Bilanzrezession-Probleme, als ob es sich dabei um strukturelle Probleme handelte: wie wenn die hohe Arbeitslosigkeit etwas Natürliches wäre und daher keines besonderen Stimulus für die Wirtschaft bedürfe.

Irving Fisher hat darlegt, dass der Prozess des Schuldenabbaus (deleveraging) immense, unnötige Kosten verursacht: Schulder werden gezwungen, die Ausgaben zu kürzen. Aber die Gläubiger (Kreditgeber) finden keinen vergleichbaren Anreiz, Ausgaben zu erhöhen. Es ergibt sich daraus eine anhaltend schwache Nachfrage, die zu grossen Schmerzen und Verschwendungen führt.

Darüber hinaus kann selbst der schwer angeschlagene Zustand der Wirtschaft den Prozess des Schuldenabbaus lähmen, weil die Schuldner (Kreditnehmer) nicht das Einkommen haben, um ihre Schulden zurückzuzahlen und der Rückgang der Inflation (oder Deflation) die reale Last der Schulden erhöht.

Wenn man also die Ansicht von Bilanz-Rezession teilt, ist es laut Krugman klar, einzusehen, dass Haushaltsdefizite die Nachfrage stützen können, während der Privatsektor damit beschäftigt ist, seine Bilanzen in Ordnung zu bringen. Und dass die Geldpolitik die Fiskalpolitik stützt, sodass ein Anstieg der Inflation diejenigen, die nicht Schulden-eingeschränkt sind, sich veranlasst sehen, Ausgaben zu erhöhen und damit die reale Last der Schulden reduzieren.

Die BIZ fordert jedoch, dass sowohl die öffentliche Hand als auch die privaten Haushalte sparen. Was wundert, ist, dass die BIZ nicht verlangt, dass alle einen Handelsbilanzüberschuss aufweisen. Die BIZ-Ökonomen behaupten sogar, dass die Deflation gar nicht so schlimm sei. Oh boy!

Exkurs:

Die „liquidationist“-Schule vertritt im Wesentlichen die Ansicht, dass das Leiden in einer Depression gut und etwas Natürliches ist. Nichts soll daher unternommen werden, die Schmerzen zu lindern. Vor allem Schumpeter und Hayek haben sich im Zusammenhang mit der Great Depression diese Argumenten zueigen gemacht.

Es handelt sich dabei im Grunde genommen um eine Zombie-Idee, die getötet werden kann, wie oft man will. Aber sie lebt weiter. Dafür sorgen heute die Angebotsökonomen und/oder Institutionen wie die BIZ. Auch die Austerian-Anhänger, d.h. die Befürworter einer harschen Sparpolitik ohne Rücksicht auf Folgen, fühlen sich heute in der „liquidationist“-Schule sehr wohl.

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