Die europäische Wirtschaft ist schwer
angeschlagen. Die EZB unterläuft das
eigene Inflationsziel (von „knapp unter 2%) seit mehr als drei Jahren.
Die nominalen Zinsen liegen an der
Nullzins-Grenze (zero lower bound).
Der Einlagesatz der EZB beträgt minus
0,40%. Und der Hauptrefinanzierungssatz liegt auf Null Prozent. Der
Spitzenrefinanzierungssatz beläuft sich auf 0,25%.
Das bedeutet, dass selbst die Zinsen nahe null nicht
dazu beitragen können, die Vollbeschäftigung wiederherzustellen. Während die
Produktionslücke geöffnet bleibt, führt auch der Anstieg der Notenbankgeldmenge
(ausgelöst durch das Anleihekaufprogramm der EZB) nicht zu einem rasanten
Anstieg der Inflation.
Ganz im Gegenteil: Die Rendite der deutschen
Staatsanleihen ist vergangene Woche erstmals in der Geschichte ins Negative
gerutscht. Das bedeutet, dass die Marktteilnehmer deficit spending nicht als problematisch betrachten.
Angesichts der Tatsache, dass die Löhne im
Euro-Raum kaum vom Fleck kommen und die Einkommenserwartungen der privaten
Haushalte negativ bleiben, ist es nicht schwer, zu beobachten, dass es in
Europa an Nachfrage mangelt.
Auf der politischen Agenda der EU-Behörden steht
aber eine Strukturreform als Abhife. Das heisst Massnahmen auf der
Angebotsseite.
Die Rendite der Staatsanleihen mit 10 Jahren
Laufzeit, Graph: Bloomberg
Bedauerlich ist, dass auch die Bank für
Internationalen Zahlungsausgleich (BIS)
mit Sitz in Basel im gestern präsentierten Jahresbericht (86th Annual Report, 2015/16) Strukturreformen für Europa nahelegt.
Für den Einsatz von Fiskal Politik sehen die
Verfasser des Berichts keinen Spielraum. Die Geldpolitik soll weiterhin den Ton
angeben, und zwar so, dass auch das Geschehen auf dem Finanzmarkt vermehrt
eingeschlossen werden muss.
Bemerkenswert ist, dass die BIS in diesem
Zusammenhang eine antizyklische Geldpolitik (genannt „leaning against the wind“ monetary policy) ins Spiel bringt, um die
eigene Anregung zur Zinserhöhung durch die EZB zu stützen.
Das „Konzept des Gegensteuerns“ erklärt, warum
die Zentralbank die Zinsen, wenn sich an den Finanzmärkten ein Boom abzeichnet,
stärker erhöhen soll als es sonst für die Einhaltung der Preisstabilität
notwendig wäre.
Es war Jean-Claude Trichet, der ehemalige
EZB-Präsident, der im Juni 2005 dafür plädiert hatte.
Auch die geldpolitischen Falken aus Deutschland
zählen zu den Anhängern der „leaning against the wind“-Geldpolitik, um die Zinsen so rasch wie möglich wieder
anzuheben; wenn nicht heute, dann unbedingt morgen.
Das ist bei allem Respekt, wo es mit der
gesamtwirtschaftlichen Nachfrage hapert und die Zentralbank das Inflationsziel
unterbietet, eine bizarre Haltung.
Dass die BIS „Big
Government“ ankreidet, ist ein Armutszeugnis, schaut man sich den Verlauf
der Rendite der als sicher wahrgenommenen Staatsanleihen in z.B. G3.
Der Verlauf des Rendite-Verfalls der US-Treasury Bonds mit 10 Jahren Laufzeit, Graph: Bloomberg
„Smaller
Government“ und Strukturreformen aufzufordern, während die Rendite von
immer mehr Staatsanleihen unter die Null-Marke fällt (zur Zeit im Wert von rund
9'000 Mrd. USD) ist keine makroökonomische Analyse, sondern Ideologie.
Zumal es
keine Korrelation zwischen dem Verlauf der Wirtschaft im Euro-Raum und den
Staatsausgaben als prozentualen Anteil am BIP gibt.
Wachstumsschwäche bedeutet fallende Zinsen und Inflation, Graph: Bloomberg
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