Was in der folgenden Abbildung auffällt, ist,
dass sich die grossen Volkswirtschaften immer noch die Wunden lecken, obwohl
der Ausbruch der Finanzkrise sieben Jahre zurückliegt.
Warum? (1) Es mangelt an Nachfrage, (2) die Produktionslücke
bleibt geöffnet und (3) es gibt viel Unterbeschäftigung in der gesamten Wirtschaft.
Bemerkenswert ist, dass die Arbeitslosigkeit im
Euro-Raum trotz eines hohen Leistungsbilanzüberschusses nach wie vor über 10%
liegt. Das heisst, dass das exportorientierte Wirtschaftskonzept in die
unteren Schichten der Gesellschaft nicht durchsickert.
Alles in allem scheint die Konjunktur einer hohen
Anzahl von grossen Volkswirtschaften derzeit von (a) Schuldenabbau (deleveraging), (b) von Disinflationsdruck
und (c) von einer schwachen gesamtwirtschaftlichen Nachfrage geplagt.
Die gegenwärtige Inflation im Vergleich zum
Zielwert der jeweiligen Zentralbank, Graph:
Morgan Stanley
Irgendwie hängt die Theorie der „sekulären
Stagnation“ wie ein Damoklesschwert über der Weltwirtschaft.
Weil der neutrale Zins niedrig bleibt, bleiben
auch die Leitzinsen der Zentralbanken niedrig, hat Janet Yellen neulich nach der Sitzung des geldpolitischen Ausschusses
der amerikanischen Notenbank angekündigt.
Die Fed-Chefin hat u.a. ein schwaches
Produktivitätswachstum in den USA und die träge wirtschaftliche Entwicklung im
Rest der Welt als Faktoren ausgemacht.
PS: Der Gleichgewichtszinssatz kann nicht direkt beobachtet werden, sondern "nur" geschätzt.
Der natürliche (neutrale) Zinssatz (Gleichgewichtszinssatz)
ist der Zins, der mit Vollbeschäftigung und Preisstabilität in einer Wirtschaft
im Einklang steht. Bleibt der Leitzins über dem natürlichen Zinssatz, rutscht
die Wirtschaft tiefer in die Rezession. Deshalb ist die Gefahr grösser als sonst, wenn
die Zentralbank die Leitzinsen „zu früh“ erhöht als wenn sie sie „zu spät“
erhöht.
Fällt der natürliche Zinssatz, muss die
Zentralbank den eigenen Leitzins (das ist für die Fed der Fed Funds Rate) anpassen, damit die Wirtschaft wieder ins Gleichgewicht kommt.
Die ausgedehnte Bilanzsumme der Zentralbanken in
Folge der unkonventionellen Geldpolitik im Sog der Finanzkrise von 2008 im
Vergleich, Graph: Morgan Stanley
Die Theorie der Liquiditätsfalle legt nahe, dass die
Ausdehnung der Notenbankgeldmenge (monetary
base) an der Nullzins-Grenze (zero
lower bound) nicht zu einem rasanten Anstieg der Inflation führt und es
nicht zum crowding out in der
Wirtschaft kommt.
Es ist bemerkenswert, dass die Renditen der als
sicher empfundenen Staatsanleihen weiter in den Keller fallen, während die Geldbasis
(money base) in G3 im historischen
Vergleich Rekordwerte aufweist.
Der Verlauf der Notenbankgeldmenge in grossen
Volkswirtschaften, Graph: Morgan
Stanley
Interessant ist zudem, zu beobachten, dass Olivier Blanchard in einem gestern
veröffentlichten Blog-Eintrag die Ansicht vertritt, dass ein niedriges
Produktivitätswachstum nicht unbedingt ein Vorbote von niedrigen Zinsen ist.
Die Korrelation zwischen (den nicht
überlappenden) 5-Jahresdurchschnitt Produktivitätszuwachsraten ist sehr
niedrig; gleich 0,1 für die USA seit 1970, betont der ehemalige Chef-Ökonomen
des IWF.
Die Modelle, die einen engen Zusammenhang
zwischen dem Produktivitätswachstum und dem Zinssatz unterstellen, beruhen im
Wesentlichen auf zwei Annahmen:
Erstens, dass die Menschen ewig leben oder
handeln und zweitens, dass die Menschen bereit sind, auf Konsum zu verzichten,
wenn der Zinssatz steigt. Die erste Annahme ist unrealistisch und die zweite
Annahme bedarf eines empirischen Nachweises, was bisher ausgeblieben ist, wie Blanchard unterstreicht.
Auch James
Hamilton findet in einer umfassenden Analyse auf mittlere Sicht keine
zuverlässige Beziehung zwischen den beiden Werten.
Kurzum: Das Produktivitätswachstum
mag in Zukunft niedrig ausfallen. Aber das hat keine offensichtlichen
Auswirkungen auf den realen Zinssatz auf die lange Sicht. Wenn man also heute
über die Ertragskurve (yield curve)
nachdenkt, sollte man nicht annehmen, dass mit dem geringeren
Produktivitätswachstum niedrige Zinsen einhergehen.
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