Freitag, 11. März 2016

Europas Wirtschaftspolitik: Berlin versus Frankfurt

Die EZB hat am Donnerstag die Zinsen (*) weiter gesenkt, das Anleihekaufprogramm ausgeweitet (von 60 Mrd. EUR auf 80 Mrd. EUR) und die Liquidität (TLTRO II) (**) an die Banken aufgestockt.

Während aber Frankfurt die Geldschleusen öffnet, stellt sich Berlin demonstrativ dagegen: Merkel und Schäuble pochen hartnäckig auf Sparkurs.

Die deutsche Regierung will also an der sog. „Schwarze-Null“-Politik (Haushaltskonsolidierung) festhalten, unabhängig davon, wie schwer die europäische Wirtschaft angeschlagen ist. Die EZB hingegen erhöht den Spielraum für Regierungen in der Eurozone, durch staatliche Ausgaben die Wirtschaft anzukurbeln.

Mario Draghi versucht, mit noch niedrigeren Zinsen im Negativ-Bereich die Inflation anzuheizen, das Wachstum zu fördern und die Beschäftigung zu stützen. Doch Deutschland als grösste Volkswirtschaft, die rund ein Drittel der Wirtschaftsleistung im Euro-Raum ausmacht, verordnet, die Gürtel enger zu schnallen.

Worum geht es?


Rendite der Staatsanleihen vorwiegend unter der Null-Marke, Graph: Bloomberg


Noch einmal: Während die EZB den Regierungen der Mitgliedsstaaten im Euro-Raum es erleichtert, bevorstehende und/oder neu zu planenden Projekte durch möglichst günstige Kredite zu finanzieren, warnen auch die Leitmedien Hand in Hand mit Berlin vor dem Schuldenmachen.

Wenn private Haushalte die Konsumausgaben kürzen, nehmen auch Unternehmen keinen Kredit auf, selbst wenn die Verzinsung nahe null liegt, weil die Kreditaufnahme nach der Lesart von Berlin die Schulden erhöhen würde. Wie soll aber eine schwer angeschlagene Wirtschaft ohne Nachfrage sonst wachsen?

Die Kanzlerin sagt, dass ein Haushalt ohne neue Schulden gerade in einem Land mit alternder Bevölkerung vernünftig sei. Was hat es damit auf sich? Jede Gesellschaft soll doch die Ersparnisse, die sie produziert, selbst verwenden, und nicht darauf hoffen, dass das Ausland es tut (d.h. das Geld aufnimmt, d.h. sich verschuldet und investiert) wie Deutschland es seit fünfzehn Jahren handhabt, argumentiert Heiner Flassbeck zu Recht.

Ohne ausserordentliche, nachhaltige und aggressive Massnahmen (die sowohl die Geld- als auch die Fiskalpolitik einschliessen) scheint die Wirtschaft sich nicht wieder normalisieren zu lassen.

Selbst Ben Bernanke, der ehemalige Fed-Präsident empfiehlt heute China, eine gezielte Fiskalpolitik an den Tag zu legen, um die gesamtwirtschaftliche Nachfrage anzuregen und das Wachstum in Schwung zu bringen, und zwar nicht einfach mit Infrastrukturinvestitionen, sondern auch mit dem Ausbau des sozialen Sicherheitsnetzes.



(*)

Der Hauptrefinanzierungssatz wird um 5 Basispunkte auf 0% gesenkt.

Der Spitzenrefinanzierungssatz wird um 5 Basispunkte auf 0,25% gesenkt.

Der Einlagensatz wird um 10 Basispunkte auf -0,40% gesenkt.


(**)

TLTRO II:

Die Banken haben in den vergangenen Tagen lautstark darüber gejammert, dass die Negativ-Zinsen (für Einlagen bei der EZB) ihre Profitabilität schwächen.

Mit den von Mario Draghi gestern vorgestellten mehrjährigen Refinanzierungsgeschäften (genannt TLTRO II) können Banken nun zu Zinskonditionen von minus 0,40% Kredit aufnehmen, wenn sie die Gelder an die Realwirtschaft weiterreichen. Das heisst, dass die Banken dafür bezahlt werden, wenn sie Kredit an die Geschäftswelt vergeben.




Während die Zinsen auch am langen Ende der Ertragskurve weiter sinken, gesellen sich immer mehr Länder dem Negativ-Rendite-Club, Graph: Finanz und Wirtschaft


Rund ein Viertel der Staatsanleihen weltweit wirft derzeit eine negative Rendite auf. Der Wert der Anleihen beläuft sich mittlerweile nach Angaben von JPMorgan auf 6'600 Mrd. USD.


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