Der Absturz der Rendite der Staatsanleihen setzt
sich unerbittlich fort. Nach der Schweiz und Japan werfen nun auch Deutschlands
Obligationen mit 10 Jahren Laufzeit eine Negativrendite ab.
In der Schweiz ist gestern auch die Rendite der 30-jährigen Staatsanleihen erstmals unter null gefallen. Damit rentiert fast
der gesamte Markt für schweizerische Staatsanleihen negativ.
Und auch in den USA fallen die Renditen: Die Rendite der US-Treasuries
mit 30 Jahren Laufzeit ist inzwischen auf den niedrigsten Wert seit Februar 2015
gesunken: 2,40%.
Warum fallen aber die Renditen? Zunächst einmal gilt es festzuhalten, dass die Negativ-Renditen nicht das Problem sind, sondern ein Symptom. Die
Renditen fallen zumindest seit 2008, wenn nicht noch länger. Die Zentralbanken
sind daher nicht die primäre Ursache dafür.
Die Notenbanker verweisen hierbei (z.B. zuletzt die
EZB) auf den Rückgang des sog. neutralen Zinses (natural real interest rate). Das ist der Zinssatz, wo die
Wirtschaft das Wachstumspotential so verwendet, dass es Vollbeschäftigung gibt
und die Preisstabilität gewährleistet ist.
Die Rendite der Schweizer Staatsanleihen mit 30
Jahren Laufzeit ist gestern unter null gefallen und damit erstmals in der
Geschichte negativ, Graph: Bloomberg
Angesichts des fallenden realen Gleichgewichtszinssatzes versuchen die Notenbanken via Akkommodation der Geldpolitik, das Zinsniveau mit der wirtschaftlichen Entwicklung wieder in Einklang zu bringen.
Hinter den Niedrig-Renditen liegen aber auch andere, tiefere globale Faktoren wie z.B. die viel genannte savings glut (Ersparnissschwemme) und die fehlenden Investitionen
(Investitionslücke).
Auch die Rolle der Austerität (fiscal austerity) darf dabei nicht vergessen werden: Ohne Zweifel verstärkt die Besessenheit von Abbau der
öffentlichen Schulden den Druck auf den neutralen Zinssatz. Wenn z.B. wie im
Euro-Raum die privaten Verbraucher sich mit Ausgaben zurückhalten, Unternehmen
nicht investieren und auch die öffentliche Hand die Ausgaben kürzt, woher
soll das Wachstum kommen?
Wenn die Löhne gedrückt werden, schwächt sich das
Einkommen und die Nachfrage nimmt ab. Die Unternehmen sehen sich aufgrund der
sich verschlechternden Umsatzaussichten gezwungen, die Investitionstätigkeit
zurückzufahren. Und so weiter.
Zudem erstaunt es nicht, dass auch animal spirits an den globalen
Finanzmärkten vor diesem Hintergrund angeschlagen bleiben, und Investoren deswegen in Scharen in die sicheren
und liquiden Staatspapiere flüchten.
Die Rendite der deutschen Staatspapiere, Graph: Bloomberg
Die Zinsen sind niedrig, weil die Inflation zu
niedrig ist. Die Ursachen der Negativ-Zinsen liegen daher nicht in der Geldpolitik,
sondern in der neo-klassisch geprägten Wirtschaftskonzeption, die in einer
Depression auf die Massnahmen auf der Angebotsseite (Strukturreformen) setzt,
statt die Nachfrage anzuregen.
Der neutrale Zinssatz für den Euro-Raum und die
US-Wirtschaft im Vergleich, Graph:
Vitor Constancio, EZB
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