Der Glaube an die Fähigkeit der Zentralbanken,
das Wirtschaftswachstum zu fördern und die Inflation anzuregen, lässt nach. Die
Investoren, die das Vertrauen verlieren, kaufen vermehrt Staatsanleihen, wie
Bloomberg meldet.
Die Rendite der deutschen Staatsanleihen mit 10
Jahren Laufzeit ist am Ende der Woche bis auf nahezu 0% gefallen: 0,02%. Die Nachfrage nach Optionen, Bund Futures zu kaufen ist mittlerweile
auf den höchsten Wert seit zwei Monaten gestiegen.
Und auch die US-Treasury Bonds sind wieder ganz in Mode, v.a. wenn man bedenkt, dass der Wert der Staatsanleihen weltweit
gegenwärtig auf 8'000 Mrd. USD hoch geklettert ist.
Die Staatsanleihen präsentieren zum Jahresstart so
weit die beste Performance seit mindestens 1997. Gemessen am Bank of America Merrill Lynch Global Bonds
Market Index beträgt der Ertrag 4,6%.
Die Rendite der deutschen Staatsanleihen mit 10
Jahren Laufzeit, Graph: Bloomberg
Die auf Futures basierende Wahrscheinlichkeit für
eine Zinserhöhung durch die Fed nächste Woche ist inzwischen von 22% (am 2.
Juni) auf 0% gesunken.
Die Rendite der Staatsanleihen im freien Fall,
Grossbritannien, Deutschland und Japan, Graph:
Bloomberg
Es ist ein offenes Geheimnis, dass die Inflation
voraussichtlich noch lange Zeit unter dem Zielwert der Zentralbank verweilt,
während die Wirtschaft sich weiterhin schwach entwickelt.
Die Fed soll nächste Woche auf ihrer
geldpolitischen Sitzung endlich das Thema anpacken, um die Misere zu beenden,
schreibt Narayana Kocherlakota in
seiner Kolumne in BloombergView.
Die Fed könnte mitteilen, dass sie die Verzinsung
der überschüssigen Reserven der Geschäftsbanken unverändert bei Null Prozent
beibehält, bis das Inflationsziel erreicht ist. Und die amerikanische Notenbank
könnte darüber hinaus ankündigen, die überschüssigen Reserven mit einem
Negativ-Zins zu belegen, um den Prozess zu beschleunigen, so der ehemalige
Fed-Präsident von Minneapolis.
Die Rendite der US-Staatsanleihen mit 10 Jahren
Laufzeit, Graph: Bloomberg
Bemerkenswert ist in diesem Kontext, dass die
anhaltenden Niedrig-Zinsen zeigen, wie asymmetrisch die Geldpolitik der
modernen Zentralbanken gestaltet ist. Schiesst die Inflationsrate über den
Zielwert hinaus, reagieren die Notenbanken meist rasch und umfassend. Wenn der
Zielwert aber unterboten wird, verhalten sie sich oft zögerlich.
Es erstaunt vor diesem Hintergrund nicht, dass
die Unabhängigkeit der Notenbanken in Frage gestellt wird.
Hinter dem Konzept der unabhängigen Zentralbanken
steht die Theorie der „Neutralität des Geldes“. Und das ist nichts anderes als
eine Fiktion. Wie der Verlauf der Wirtschaft auf beiden Seiten des Atlantiks (zumindest)
seit dem Ausbruch der Finanzkrise nahelegt, gibt es keinen engen Zusammenhang
zwischen der Geldmenge und der Inflationsrate. Die Geldpolitik ist nicht
neutral. Insbesondere bedarf es in einer Depression einer Kooperation mit
anderen öffentlichen Instituten, wie Heiner
Flassbeck in seinem Blog schildert.
Mit dem Ende des Monetarismus muss auch die
Unabhängigkeit der Notenbanken auf den Prüfstand gestellt werden, so der
ehemalige Chefökonom der UNCTAD, der UNO-Organisation mit Sitz in Genf.
Viele Wirtschaftsmodelle haben heute grosse
Schwierigkeiten, mit der Realität zurechtzukommen. Und wie es in der Praxis
aussieht, zeigt Noah Smith in seiner lesenswerten Kolumne in BloombergView auf.
Die Rendite der Staatsanleihen mit 10 Jahren Laufzeit im Vergleich, Graph: FT
Justin
Wolfers nimmt währenddessen kein Blatt vor den Mund und erklärt DSGE-Modelle als
unbrauchbar.
John
Quiggin hatte in seinem vor rund 6 Jahren erschienenen Buch „Zombie Economics“ auf
das Versagen der vorherrschenden Theorien (EMH, DSGE usw.) hingedeutet.
Die durchschnittliche Rendite der deutschen Staatsanleihen, Graph: FT
Wenn Unternehmen auf die Krise mit Lohnkürzungen
reagieren, leidet die Binnennachfrage, weil der inländische Konsum abgewürgt
wird. Und wenn Löhne fallen, steigt die Arbeitslosigkeit.
Die Unternehmen handeln einzelwirtschaftlich. Das
ist aus ihrer Sicht in Ordnung. Da aber die Ausgaben des einen die Einnahmen
des anderen sind, ist das einzelwirtschaftliche Denken für die Gesamtheit
falsch. Deswegen bedarf es einer staatlichen Investitionspolitik, um für die
Gesamtwirtschaft zu sorgen.
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