Vor einem halben Jahrhundert hat
sich The New Yorker in einem Artikel mit dem Titel „Our Invisible Poor“ (Unsere unsichtbare Armen) mit dem
damals weit verbreiteten Mythos auseinandergesetzt, dass Amerika eine Wohlstandsgesellschaft
ist, mit nur wenig Armutsfall. Für viele kamen die Fakten über die Armut wie
eine Offenbarung vor, bemerkt Paul
Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („Our Invisible Rich“) am Montag in NYTimes.
Der am Graduierten Zentrum der City University of New York (CUNY) lehrende Wirtschaftsprofessor denkt nicht, dass die Armen heute nicht
sichtbar sind. Heutzutage sind es die Reichen, die nicht sichtbar sind. In der
Tat haben die meisten Amerikaner keine Ahnung davon, wie ungleich die
amerikanische Gesellschaft geworden ist.
Der neueste Beweis in diesem
Sinne ist eine Umfrage, wo die Leute in verschiedenen Ländern gefragt wurden,
wie ihrer Meinung nach die Top-Führungskräfte grosser Unternehmen mehr
verdienen als die ungelernten Arbeitskräfte. In den USA glaubt der Median-Befragte, dass die Chefs 30 mal so viel verdienen wie ihre Mitarbeiter,
was ungefähr wahr ist, was 1960er Jahre betrifft. Seither ist die Lücke
erheblich grösser geworden: Heute verdienen CEOs etwa 300 mal so viel wie
normale Arbeitnehmer.
Das heisst, dass die Amerikaner
keine Ahnung haben, wie viel die Meister des Universum (Master of the Unverse) verdienen, ein Befund, der sehr im Einklang
mit dem Beweis steht, dass die Amerikaner die Konzentration von Reichtum an der
Spitze erheblich unterschätzen, erklärt der als Mitglied im Luxembourg
Income Study Center forschende Träger des Wirtschaftsnobelpreises weiter.
Wie können die Menschen aber sich
dieser Entwicklung nicht bewusst sein oder zumindest nicht, was das Ausmass betrifft?
Die wichtigste Antwort ist laut Krugman, dass die Reichen sich aus dem Leben von
normalen Menschen zurückziehen, sodass wir nicht sehen, wie sie leben. Wir
bemerken und sind erbost darüber, dass College Kinder Luxus-Autos fahren.
Aber
wir sehen nicht, wie Private Equity Manager per Helikopter in ihren riesigen
Villen in den Hamptons ankommen. Die Kommandohöhen der Wirtschaft sind nicht
sichtbar, weil sie in den Wolken verloren sind, beschreibt Krugman.
Ist die Unsichtbarkeit der
Superreichen wichtig? Ja, politisch kommt es sehr darauf an. Experten wundern
sich manchmal, warum amerikanische Wähler sich um die Ungleichheit nicht
kümmern. Ein Teil der Antwort ist, dass sie nicht realisieren, wie extrem die
Ungleichheit ist, wie Krugman darlegt.
Die meisten Amerikaner sagen,
wenn sie gefragt werden, dass Ungleichheit zu hoch ist, und etwas getan werden
müsse. Es gibt eine überwältigende Unterstützung für höhere Mindestlöhne und
eine Mehrheit befürwortet höhere Steuern am oberen Ende.
Aber zumindest stellte die
Konfrontation mit extremer Ungleichheit bisher wahlpolitisch kein Problem dar.
Vielleicht wäre das wahr, auch wenn die Amerikaner die Fakten über die neue Gilded Age wüssten. Aber wir wissen heute nicht. Das heutige politische
Gleichgewicht beruht auf einem Fundament der Unwissenheit, wo die
Öffentlichkeit keine Ahnung hat, wie es um die Gesellschaft wirklich bestellt
ist, so Krugman als Fazit.
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