Freitag, 3. Oktober 2014

Arbeitslosigkeit als Indikator in Rezession

Die gegenwärtig anhaltende Flaute der Wirtschaft beschäftigt Ökonomen auch noch sechs Jahre nach dem Ausbruch der Finanzkrise. Die Frage ist: Warum bleibt die Erholung der Wirtschaft so schwach? Und: Warum verharrt die Arbeitslosigkeit auf einem so hohen Niveau?

Jared Bernstein erklärt in einem lesenswerten Artikel („How the jobless rate underestimates the economy’s problems“) in NYTimes, warum es wichtig ist, die besondere Beschaffenheit der Lesser Depression adäquat zu messen.

Erstens ist es im Hinblick auf die Geldpolitik wichtig: Denn die Fed versucht, die Wirtschaft seit langer Zeit mit unkonventioneller Geldversorgung anzukurbeln. Die geldpolitischen Entscheidungsträger müssen wissen können, wann es als sicher gilt, auf die geldpolitische Bremse zu treten, damit es nicht zu einer Überhitzung der Wirtschaft kommt.

Zweitens wollen auch die Regierungen, Unternehmen, Arbeitgeber  und Investoren einschätzen können, wie die wirtschaftliche Entwicklung in naher Zukunft aussieht, damit sie dementsprechend planen können, was die Variablen für Beschäftigung, Umsatz, Haushaltsausgaben usw. betrifft.

Drittens muss die Volksvertreter im Parlament die Beschaffenheit der wirtschaftlichen Flaute kennen, um darauf mit geeigneten wirtschaftspolitischen Massnahmen angemessen reagieren zu können, wie z.B. Arbeitslosengeld, Sozialhilfe und weiteren Vorkehren zur Arbeitsplatzbeschaffung.

Bernstein vertritt die Ansicht, dass es heute nicht  mehr ausreicht, einen Blick auf die Arbeitslosenquote zu werfen und ein paar Massnahmen anzukündigen. Denn es gibt derzeit spezielle Faktoren, die dazu beitragen, dass die Arbeitslosenquote die anhaltende wirtschaftliche Flaute nicht angemessen wiederspiegeln kann.


Es gibt v.a. drei spezielle Faktoren, die die Signale, die die Arbeitslosigkeit sendet, verzerren: 

(1) Es gibt über sieben Millionen Menschen, die unfreiwillig eine Teilzeitarbeit leisten. Das entspricht in den USA derzeit einem Wert von 5% der gesamten Arbeitskraft: Menschen, die gern Ganztagsarbeit machen würden, aber keine Vollzeitstelle finden. Es gilt, sich zu vergegenwärtigen, dass das von der Arbeitslosigkeit nicht erfasst wird. 

(2) Der zweite Faktor hat mit Erwerbsquote zu tun. Gibt man die Stellensuche auf, wird man von der Statistik der Arbeitslosigkeit nicht mehr mitberücksichtigt. Es gibt viele Menschen, die zu der gesamten Arbeitskraft nicht mitgezählt werden, weil sie wegen der anhaltenden Flaute wegfallen. Wegen der künstlich niedrigen Arbeitslosenquote sieht dann der Arbeitsmarkt nicht mehr so schwach aus.

Das Verhältnis der Beschäftigten zur Bevölkerung im erwerbstätigen Alter ist in den USA in den letzten Jahren von 66% auf 63% gesunken. Wie viel davon ist aber auf die wirtschaftliche Flaute und wie viel auf strukturelle Faktoren zurückzuführen? Jan Hatzius, Goldman Sachs denkt, dass 1% davon mit der ökonomischen Flaute zu tun hat. Das würde bedeuten, dass die Arbeitslosigkeit in den USA zur Zeit rund 7% beträgt, was wiederum zusätzliche Arbeitslose in Höhe von 1,6 Millionen heisst. 

(3) Der dritte Faktor wird in einer lesenswerten Forschungsarbeit („Wages and Labor Market Slack“) von David Blanchflower und Adam Posen dargelegt: Lohnwachstum, und zwar das schwache Wachstum der Löhne in den vergangenen Jahren.

Man würde meinen, dass es zwischen der Arbeitslosenquote und dem Lohnwachstum eine negative Korrelation gibt: Je angespannter Arbeitsmarkt ist, desto schneller wachsen die Löhne. Die Autoren vertreten die Meinung, dass die Leute, die die Jobsuche aufgeben und den Arbeitsmarkt verlassen, in Bezug auf die Flaute der Wirtschaft trotzdem eine Rolle spielen. Blanchflower und Posen zeigen, dass die Inaktivität der Arbeitskräfte konsequenterweise mit Löhnen korreliert, was nahelegt, dass ein wesentlicher Anteil der Arbeitskräfte, die den Arbeitsmarkt verlassen, zur wirtschaftlichen Flaute beitragen.

Die Ökonomen sagen, dass ein signifikanter Teil der amerikanischen Arbeitnehmer, die inaktiv werden, nicht als „für immer vom Arbeitsmarkt weg gegangen“ betrachtet werden sollen. Denn wenn die Nachfrage steigt und dadurch neue Arbeitsplätze geschaffen werden, werden diese Leute wieder in den Arbeitsmarkt zurückkommen.

In einer Welt, in der es zu einem raschen Anstieg der strukturellen Arbeitslosigkeit kommt, müssten die Löhne wegen des negativen Schocks in Bezug auf das Arbeitsangebot steigen. Wenn der Anstieg der Inaktivität aber im Wesentlichen zyklisch ist, erlebt der Arbeitsmarkt einen abwärtsgerichteten Druck auf die Löhne, weil nämlich die Möglichkeit besteht, dass diese inaktiv gewordenen Arbeitskräfte zum Arbeitsmarkt zurück kommen.

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