Die derzeit vorherrschende Deflationsneigung in der Eurozone
ist auf die fatale Fehldiagnose der EU-Behörden über die wahren
Ursachen der Euro-Krise zurückzuführen.
Europas verhängnisvolle Täuschung
war, dass die Euro-Krise durch verschwenderische Haushaltsführung zustande
gekommen sei. Das mag auf Griechenland zustimmen. Spanien und Irland hatten aber
am Vorabend der Krise einen Haushaltsüberschuss und wenig Schulden.
In der gesamten Eurozone war es
der Privatsektor, der mit Fremdkapital (leverage)
Anlagegüter gekauft hat, und zwar während der Spekulationsphase am
Immobilienmarkt. Nachdem Platzen der Blase war der Wert der Schulden höher als
der Wert der Anlagegüter, sodass die Bilanzen der privaten Haushalte „unter
Wasser“ geriet.
Wenn der private Sektor spart und
Schulden abbaut (deleveraging), liegt
die Güternachfrage niedriger als das Güterangebot, sodass eine deflationäre
Lücke entsteht.
Wenn niemand bereit ist, die
vorhandenen Ersparnisse aufzunehmen (sich zu verschulden) und auszugeben (zu
investieren), dann ist die Gefahr gross, dass es mit der Zeit zu einer
Deflationsspirale kommt, wie in den 1930er Jahren während der Great Depression gewesen ist.
Die europäischen
Entscheidungsträger sind einmal gewillt, die Lehren aus der Grossen Depression
zu vergegenwärtigen. Wenn die Geldpolitik unwirksam ist, weil die nominalen
Zinsen bereits nahe null (zero lower
bound) liegen, dann muss die öffentliche Hand Schulden aufnehmen und
investieren, damit die Wirtschaft wieder in Fahrt kommt.
Die EU-Behörden verharren aber trotz
der anhaltenden hohen Arbeitslosigkeit auf Haushaltskonsolidierung, während sie
zugleich Strukturreformen vorschreiben. Die Austeritätspolitik reduziert Investitionen und schwächt die gesamtwirtschaftliche Nachfrage weiter.
Die Wirtschaft schrumpft und die
Steuereinnahmen des Staates nehmen ab. Brüssel und Berlin fordern dann noch
mehr Austerität, weil die Schuldenstandsquote (debt-to-GDP) nicht zurückgeht. Eine Definition von Wahnsinn ist,
immer wieder das gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.
Wie das Wirtschaftswachstum angeregt werden soll, bleibt daher
das Rätsel der europäischen Staats- und Regierungschefs. Da es zu wenige Schuldner gibt, sinken die Zinsen.
Der Rückgang der Zinsen ist deshalb nicht eine Ursache der Euro-Krise, sondern eine
Folge.
Die Eurozone scheint zur Zeit in der Tat zu Jahren von Deflation und Stagnation verdammt zu sein. Zu befürchten ist, dass Nationalisten/Populisten das Zepter in die Hand nehmen und die Demokratie auf der Strecke bleibt. Und die einfachen Menschen gehen vor die Hunde.
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