Dienstag, 2. September 2014

Europas Problem ist Mangel an Schuldnern

Die derzeit vorherrschende Deflationsneigung in der Eurozone ist auf die fatale Fehldiagnose der EU-Behörden über die wahren Ursachen der Euro-Krise zurückzuführen.

Europas verhängnisvolle Täuschung war, dass die Euro-Krise durch verschwenderische Haushaltsführung zustande gekommen sei. Das mag auf Griechenland zustimmen. Spanien und Irland hatten aber am Vorabend der Krise einen Haushaltsüberschuss und wenig Schulden.

In der gesamten Eurozone war es der Privatsektor, der mit Fremdkapital (leverage) Anlagegüter gekauft hat, und zwar während der Spekulationsphase am Immobilienmarkt. Nachdem Platzen der Blase war der Wert der Schulden höher als der Wert der Anlagegüter, sodass die Bilanzen der privaten Haushalte „unter Wasser“ geriet.

Wenn der private Sektor spart und Schulden abbaut (deleveraging), liegt die Güternachfrage niedriger als das Güterangebot, sodass eine deflationäre Lücke entsteht.

Wenn niemand bereit ist, die vorhandenen Ersparnisse aufzunehmen (sich zu verschulden) und auszugeben (zu investieren), dann ist die Gefahr gross, dass es mit der Zeit zu einer Deflationsspirale kommt, wie in den 1930er Jahren während der Great Depression gewesen ist.


Die europäischen Entscheidungsträger sind einmal gewillt, die Lehren aus der Grossen Depression zu vergegenwärtigen. Wenn die Geldpolitik unwirksam ist, weil die nominalen Zinsen bereits nahe null (zero lower bound) liegen, dann muss die öffentliche Hand Schulden aufnehmen und investieren, damit die Wirtschaft wieder in Fahrt kommt.

Die EU-Behörden verharren aber trotz der anhaltenden hohen Arbeitslosigkeit auf Haushaltskonsolidierung, während sie zugleich Strukturreformen vorschreiben. Die Austeritätspolitik reduziert Investitionen und schwächt die gesamtwirtschaftliche Nachfrage weiter.

Die Wirtschaft schrumpft und die Steuereinnahmen des Staates nehmen ab. Brüssel und Berlin fordern dann noch mehr Austerität, weil die Schuldenstandsquote (debt-to-GDP) nicht zurückgeht. Eine Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.

Wie das Wirtschaftswachstum angeregt werden soll, bleibt daher das Rätsel der europäischen Staats- und Regierungschefs. Da es zu wenige Schuldner gibt, sinken die Zinsen. Der Rückgang der Zinsen ist deshalb nicht eine Ursache der Euro-Krise, sondern eine Folge.

Die Eurozone scheint zur Zeit in der Tat zu Jahren von Deflation und Stagnation verdammt zu sein. Zu befürchten ist, dass Nationalisten/Populisten das Zepter in die Hand nehmen und die Demokratie auf der Strecke bleibt. Und die einfachen Menschen gehen vor die Hunde.


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