Samstag, 6. September 2014

Die sonderbare “Arbeitslosigkeit bedeutet Urlaub machen”-These

Arbeiten die Menschen weniger, weil sie vom Staat bezahlt werden, nicht zu arbeiten? Eine grosse Anzahl von Menschen scheint zu denken, dass dem wirklich so ist. Die Idee ist v.a. auf der rechten Seite des politischen Spektrums besonders populär. Man denke an die berüchtigte Aussage von „47 Prozent“ von Mitt Romney im Jahr 2012.

Bemerkenswert ist aber, dass eine überraschend hohe Zahl von Wirtschaftswissenschaftlern und darunter auch eher linksgerichtete Experten auf die Idee zurückgreifen, wie Noah Smith in einem lesenswerten Beitrag in BloombergView schildert.

Zum Beispiel Casey Mulligan, Wirtschaftsprofessor an der University of Chicago und ein Blogger für die New York Times sagt, dass eine Reihe von Programmen, die von der Regierung gestartet wurden, um die Auswirkungen der Great Recession zu mildern, einen Anreiz für Menschen bieten, arbeitslos zu bleiben. Das ist zugleich die These des aktuellen Buches von Mulligan („The Redistribution Recession“). Die Grundidee ist, dass Sozialleistungen wie eine Art implizite hohe Steuern auf die Armen wirken.

Auch Kurt Mitman, ein Makroökonom an der Universität von Stockholm ist ein Befürworter. Er vertritt die Ansicht, dass der Schluss mit Arbeitslosenversicherung am Anfang des Jahres sowohl die Beschäftigung als auch die Erwerbsquote (labor force participation) steigern würde.

Die Arbeitslosigkeit ist zwar in den vergangenen Monaten in den USA etwas gesunken, aber die Erwerbsquote ist nicht gestiegen, was Mitmans These nicht unterstützt, erklärt Smith.

Jordan Weissmann schreibt, dass Social Security Disability eine Art „secret welfare program“ geworden ist, das die Menschen dafür vergütet, nicht zu arbeiten.

Es gibt aber einige ernsthafte Probleme mit dieser These, wie ein Blick auf die Daten offenbart. Das Hauptproblem betrifft die Entwicklung der Löhne.

Wenn der Staat die Menschen vergütet, nicht zu arbeiten, dann müsste daraus ein Aufwärtsdruck auf die Real-Löhne entstehen. Das ist intuitiv klar: Wenn die Regierung mich dafür bezahlt, dass ich einen Urlaub mache, dann muss sie mir mehr zahlen, damit ich wieder zurück zum Arbeitsplatz komme. Die Vergütung der Menschen, nicht zu arbeiten, erzeugt einen Angebot-Mangel. Und Angebotsknappheiten  (Versorgungsdefizite) erhöhen Preise.

Die Daten legen nahe, dass die Reallöhne seit 2008 unverändert sind. Das stellt also ein Rätsel für die „Arbeitslosigkeit ist Urlaub“-These von Mulligan, Mitman und andere dar.

Es mag natürlich sein, dass andere Faktoren auch eine Rolle spielen, dass die Reallöhne nicht gestiegen sind. Aber es wäre ein ziemlich grosser Zufall, dass diese anderen Faktoren exakt die gleiche Zeit mit der Rezession eintreffen, argumentiert Smith weiter.

Die Volkswirtschaftslehre (economic 101) sagt, dass die Nachfrage, nicht das Angebot fällt, wenn der Preis und die hergestellte Menge von einem Gut oder einer Dienstleistung fallen. In den USA sind der Preis und die Menge der Arbeit gefallen und sie bleiben seit 2009 niedrig. Das ist laut Smith ein Hinweis darauf, dass die Sozialprogramme des Staates nur minimale Auswirkungen auf die Anzahl der Amerikaner mit Jobs hat.

Als Fazit lässt sich festhalten, dass das, was auch immer in den vergangenen fünf Jahren die Stagnation ausgelöst hat, mit Sozialhilfe sehr wahrscheinlich nichts zu tun hat. Die These von „Arbeitslosigkeit = Urlaub machen“ ist Propaganda.

PS:

Lawrence Mishel berichtet im Blog von EPI (Economic Policy Institute), dass die Löhne der Niedriglohnbezieher (das 10. Perzentil der Lohnempfänger) in den USA  im Zeitraum von 1979-2013 trotz Produktivitätssteigerungen um 5% gesunken ist.




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