Dienstag, 23. September 2014

Ist Deutschland der Zahlmeister Europas?

Es ist ein offenes Geheimnis, dass eine Mehrzahl des deutschen Volkes den Euro-Rettungsschirm abgeschafft sehen würde. Die irreführende Debatte über die Rettungspakete im Euro-Raum und die obskure Diskussion über die etwas komplexe Target-II-Salden dürften dazu beigetragen haben.

Die Konsequenz ist jedoch, dass in der Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, als ob Deutschland der Zahlmeister Europas wäre.

Vor diesem Hintergrund unterstreicht Sebastian Dullien in einem lesenswerten Artikel in Die Zeit online (aus dem e-bookDie 10 Mythen der Eurokrise“) drei Missverständnise.

(1) Die Hilfspakete an die von der Krise am stärksten betroffenen Staaten sind keine Transfers, sondern Kredite, die irgendwann zurückgezahlt werden müssen, und zwar mit Zinsen.

(2) Bei den sog. Target-II-Salden handelt sich um eine Art Verrechnungskonten der europäischen Zentralbanken im Euro-Raum in Zusammenarbeit mit der EZB. Die Behauptung, dass die Bundesbank alle Forderungen abschreiben müsste, falls die Gemeinschaftswährung zusammen bräche, ist falsch, hebt Dullien hervor.



Die 10 Mythen der Euro-Krise und warum sie falsch sind: Einleitung: Henning Meyer und Andrew Watt via Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Sept 2014

(a) Aus den Target-Salden ist bisher kein Verlust entstanden, 

(b) Verluste würden nur dann eintreten, wenn der Euro wirklich auseinander brechen würde. Zur Zeit deutet nichts darauf hin. Die Forderungen der deutschen Bundesbank aus Target-Salden sind sogar inzwischen von 750 Mrd. EUR auf unter 500 EUR gefallen. 

(c) Die Annahme, dass die spanische Notenbank im Extremfall keinen Cents an die Bundesbank zahlen würde, ist auch wirklichkeitsfremd, da die spanische Zentralbank der kreditwürdigste Schuldner im Land ist. 

(d) Fakt ist, dass ein Grossteil der Target-II-Salden entstanden ist, weil deutsche Banken nicht mehr bereit sind, Kredite an Banken in den Krisenstaaten zu gewähren.

(3) Was Netto-Zahlungen an den EU-Haushalt betrifft: Deutschland zahlt hier absolut am meisten. Aber nur weil es das bevölkerungsreichste Land ist. Das Ganze relativiert sich, wenn man sich Pro-Kopf-Werte anschaut: Deutschland kommt hier auf 146 EUR pro Kopf und Jahr. Schweden und Dänemark zahlen mit rund 200 EUR deutlich mehr.


Von einer deutschen Sonderrolle als „Zahlmeister“ kann also keine Rede sein, hält der an der THW Berlin lehrende Wirtschaftsprofessor als Fazit fest.

PS: Das Buch beinhaltet noch weitere Beiträge wie z.B. von Peter Bofinger, Thomas Fricke, Andrew Watt u.a.

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