Montag, 22. September 2014

Lauter faule Arbeitslose in Amerika?

Letzte Woche hat John Boehner, der Sprecher des Repräsentantenhauses vor einem Publikum am American Enterprise Institute erklärt, was die Beschäftigung in Amerika aufhalte: Faulheit. Die Menschen haben die Idee „Ich muss wirklich nicht arbeiten. Ich will es wirklich nicht tun. Ich denke, ich sitze lieber nur herum“, so Boehner.

Es ist kaum das erste Mal, dass ein prominenter konservativer etwas in dieser Richtung gesagt hat, bemerkt Paul Krugman in seiner lesenswerten Kolumne („Those Lazy Jobless“) am Montag in NYTimes dazu.

Seit die Finanzkrise zur Rezession geführt hat, ist es ein nonstop Refrain auf der rechten Seite des politischen Spektrums, dass die Arbeitslosen sich nicht gern bemühen, eine Stelle zu finden und es dank dem grosszügig organisierten Arbeitslosengeld ganz locker nehmen. 

Es ist immer dieselbe Leier: Der Staat zahle die Menschen, nicht zu arbeiten. Und der Drang, die Opfern einer depressiven Wirtschaft zu beschuldigen, erweist sich als unempfindlich für Logik und Beweise, beschreibt der am Graduierten Zentrum der City University of New York (CUNY) lehrende Wirtschaftsprofessor weiter.

Es ist aber immer noch erstaunlich und aufschlussreich, mitzubekommen, wie oft diese Textzeile wiederholt wird. Die Menschenmenge „gib‘ die Schuld dem Opfer“ hat alles, was sie braucht: Die Vergütung insbesondere für die Langzeitarbeitslosen wird gekürzt oder abgeschafft. Und es sind trotzdem die Tiraden gegen die Penner, die angeblich von der Sozialhilfe leben. Und wenn sie keine Penner sind, sie waren es nie, so Krugman, dann gibt keine Sozialhilfe. Warum?



Arbeitslosenhilfe im Verhältnis zum BIP in den USA, Graph: Prof. Paul Krugman

Nur 26% der arbeitslosen Amerikaner beziehen Arbeitslosengeld. Das ist das niedrigste Niveau seit vielen Jahrzehnten. Der Gesamtwert der Leistungen der Arbeitslosigkeit beträgt weniger als 0.25% des BIP, die Hälfte dessen, was es 2003 war, als die Arbeitslosenquote etwa dieselbe war wie heute. Es wäre also nicht übertrieben, zu sagen, dass Amerika die arbeitslosen Bürger aufgegeben hat, argumentiert der im der CUNY angegliederten Luxembourg Income Study Center forschende Träger des Wirtschaftsnobelpreises.

Hat das Thema mit Rasse zu tun? Das ist hypothetisch immer eine Überlegung wert in der amerikanischen Politik, argumentiert Krugman. Es ist wahr, dass die meisten Arbeitslosen weiss sind und sie einen noch grösseren Anteil an den Leistungen der Arbeitslosenversicherung haben. Aber Konservative wissen es wohl nicht. Und sie behandeln die Arbeitslosen so, als wären diese Teil einer vage definierten, dunkelhäutigen Menschenmenge (genannt „Abnehmer“).

Krugman vermutet jedoch, dass es hauptsächlich mit der geschlossenen Informationsschleife der modernen Rechten zu tun hat. In einer Nation, wo die republikanische Basis in ihrem eigenen geistigen Universum lebt, und denkt, dass die Fox News und Rush Limbaugh über Fakten berichten, wo die Partei-Elite die politische Analyse, die sie sich vorstellt, von American Enterprise Institute oder Heritage Foundation bezieht, ist die Rechte weder der Realität der Arbeitslosigkeit noch des Lebens der Menschen ohne Arbeit bewusst. Da fast jeder Bekannte oder Verwandte hat, die keine Arbeit finden können, könnte man meinen, dass die persönliche Erfahrung die Wand der Ignoranz durchbrechen würde. Das ist aber nicht der Fall.

Was auch immer die Erklärung ist, was Boehner klar gesagt hat, ist das ,was er und alle um ihn herum wirklich meinen, und was sie zueinander sagen, wenn sie nicht erwarten, von anderen gehört zu werden, fasst Krugman als Fazit zusammen. Einige Konservative versuchen zwar, ihr Image neu erfinden, wo sie Sympathie für die Bedürftige zum Ausdruck bringen. Aber was ihre Partei wirklich glaubt, ist dass Sie, wenn Sie arm oder arbeitslos sind, selbst daran Schuld sind.



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