Wenn Sie das Wort „Keynesian“ als
Synonym für „Sozialist“, „progressiv“ oder „liberal“ (*) verwenden, dann liegen Sie falsch, schreibt Noah Smith in einem lesenswerten
Artikel („How Keynes became a dirty word“)
in BloombergView.
Nun ist es ein offenes Geheimnis,
dass die Blogger und Autoren, die sich Keynesian nennen, in der Tat liberal veranlagt sind. Und noch
wichtiger: John Maynard Keynes
selbst war gewissermassen pro Umverteilung und pro staatliche Interventionen in
der Wirtschaft.
Warum macht es aber keinen Sinn,
in dieser Hinsicht das Wort „Keynesian“
zu gebrauchen? Der eine Grund ist, wie Smith erklärt, dass es nicht die Art und
Weise ist, wie akademische Ökonomen es verwenden. Es gibt eine Klasse von
Wirtschaftsmodellen, die „New Keynesian“
genannt werden , die beschreiben, wie Geldpolitik auf die Wirtschaft Einfluss
nehmen kann.
Das Interessante daran ist aber,
dass diese Modelle trotz ihrer Bezeichnung Keynesian nicht annähernd das
darlegen, was Keynes konzipiert hat. In der Tat liegen sie sehr nah an den
Ideen von Milton Friedman, argumentiert
Smith weiter.
Miles Kimball, der Doktorvater
von Noah Smith, hat versucht, den Namen der Modelle als „Neomonetarist“ umzuändern.
Der Versuch ist aber gescheitert. Das Etikett „New Keynesian“ bleibt anhaften.
Ferner sind viele Ökonomen, die
die New Keynesian Modelle entwickelten, in der Tat politisch konservativ, wie
z.B. Greg Mankiw und John Taylor, um zwei populäre Namen aus
den Medien zu nennen.
Warum soll man sich aber um den
ohnehin nicht zugänglichen Jargon der akademischen Ökonomen kümmern? Weil es
einen Grund gibt, warum Mankiw und Taylor es vorziehen, ihre Theorie nach
Keynes zu benennen, wie Smith unterstreicht.
New Keynesian Modelle sagen, dass
es bei der Geldpolitik und sogar auch bei der Fiskalpolitik um Stabilisierung
geht. Es habe also mit der Glättung der Schwankungen in der Wirtschaft,
Verringerung der Risiken für alle, die davon betroffen sind, zu tun.
Wenn es der Wirtschaft gut geht,
müssen die Zinsen erhöht werden, um eine Überhitzung zu verhindern. Wenn es der
Wirtschaft schlecht geht, müssen die Zinsen reduziert werden, um die Wirtschaft
anzukurbeln.
Und das war’s. Keine
Umverteilung, keine Regulierung und keine Planwirtschaft.
Stabilisierungstheorie sagt nämlich, dass man die Schwankungen der Konjunktur
glätten kann, ohne die Struktur der Wirtschaft zu tangieren, wie die Wirtschaft
sonst funktioniert.
Die Erwartung ist also dahingehend,
dass, wenn der Staat nur dafür sorgt, d.h. nur eine kleine Intervention
vollzieht, Rezessionen kein grosses Problem darstellen. Und verärgerte
Arbeitslose würden in solchen Fällen keine dauerhafte Interventionen des Staats
anfordern, so die Erwartung.
Die Stabilisierungspolitik soll
m.a.W. vor Sozialismus schützen. Das ist in der Tat, was Keynes im Sinne hatte,
so Smith mit Nachdruck: Keynes lebte während einer Zeit, wenn Kommunismus und
Sozialismus als eine echte, machbare Alternative zum Kapitalismus gehandelt
wurden. Keynes hat seine Theorien als eine Alternative zum Sozialismus
entwickelt, als einen Weg, um Kapitalismus
zu retten, mit möglichst wenigen Interventionen.
Es ist auch wahr, dass
Stabilisierungspolitik unweigerlich auch einige Umverteilung beinhaltet.
Inflationserwartungen zu steigern, um Rezessionen zu bekämpfen, kommt Schuldnern
zu Gute, z.B. Unternehmen, die Kredit aufnahmen, um Investitionen zu tätigen,
während diejenigen, die von festverzinslichen Papieren leben, davon negativ
betroffen werden. Der Ansatz ist aber so beschaffen, dass die Umverteilung umgekehrt
wird, wenn es der Wirtschaft gut geht, und wenn die Zentralbank die Zinsen
erhöht, um auf die Bremse zu treten.
Warum also glauben die Leute,
dass Keynesianismus Sozialismus-lite
ist? Es ist wohl die Schuld des intellektuellen Hauptgegners von Keynes: Friedrich Hayek. Hayek hat versucht,
gegen Keynes Theorien zu argumentieren. Aber er hat die Debatte in den 1930er
Jahren verloren.
Hayek hat dann in seinem Buch „The Road to Serfdom“ Keynes aus einem ganz anderen Blickwinkel angegriffen. Anstatt
zu sagen, dass Keynes Theorien falsch seien, hat Hayek vorausgesagt, dass
keynesianische Stabilisierungspolitik der Weg sei, der in den Totalitarismus führe.
Hayek’s Warnung war absolut
falsch. Die meisten reichen Länder haben versucht, irgendeine Form von Keynes
Wirtschaftstheorien in den 1950er, 1960er und 1970er Jahren in die Tat
umzusetzen. Nicht alles ist immer gelungen, aber sie führten auf jeden Fall
nicht zum Totalitarismus.
Irgendwie hat sich aber Hayeks Vorwurf
in unser kollektives Bewusstsein eingedrängt, wie Smith zum Schluss darlegt.
Seither findet man die Verwendung des Wortes keynesianisch (keynesian) in Blogs und Finanzmedien wie
ein Schimpfname.
(*) Dem amerikanischen Sprachgebrauch nach, d.h. links, was die politische Anschauung betrifft.
(*) Dem amerikanischen Sprachgebrauch nach, d.h. links, was die politische Anschauung betrifft.
2 Kommentare:
Ich dachte, liberal und Umverteilung bzw. staatliche Einmischen seien Gegensätze. Wie kann man dies in einen Zusammenhang setzen?
Das Wort "liberal" wird hier dem amerikanischen Sprachgebrauch nach verwendet ...
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