Mittwoch, 8. September 2010

Deutschland: Gewinner der Eurozone

Welches Land ist der grösste Gewinner aus der Schaffung der Eurozone? Deutschland, bemerkt Martin Wolf in einem lesenswerten Essay („Germans are wrong: the eurozone is good for them“) in FT. Diese Ansicht wird aber in Deutschland selbst kaum akzeptiert, fügt Wolf im selben Atemzug hinzu. „Deutschland ist nicht nur der Nutzniesser, sondern es muss das viel deutlicher als bisher anerkennen“, argumentiert Wolf. Nur dann dürften die Deutschen die erforderlichen Reformen in der Eurozone unterstützen. Der Ausgangspunkt muss sein, dass die Krise noch nicht zu Ende ist, sondern bloss schläft, so Wolf.


Warum sollten die Deutschen, während sie mit Schocks konfrontiert werden, akzeptieren, dass sie ein überwältigendes Interesse am Erfolg der Eurozone haben? Die unmittelbare Antwort ist, dass die Wirtschaft enorm vom Exportgeschäft abhängt. Von 2000 bis 2008 hat die externe Nachfrage rund zwei Drittel des Wachstums der gesamten Nachfrage nach Wirtschaftsleistung Deutschlands generiert, erklärt Wolf. Deutschland braucht sowohl unternehmenseigene Märkte als auch einen wettbewerbsfähigen Wechselkurs, so Wolf. „Stellen Sie sich vor, was in Abwesenheit des Euros passiert wäre. Der Wechselkurs der D-Mark hätte nach oben explodiert, wie es in den 1990er Jahren während Währungskrise geschehen ist. An der Peripherie Europas hätte sich die Währungen mindestens so stark abgewertet wie Sterling, wenn nicht stärker. Das Fehlen eines solchen Schocks verbessert die Aussichten die Erholung der deutschen Wirtschaft. Die Schaffung der Eurozone ist allein aus diesem Grund viel mehr Wert für Deutschland als seine Handelspartner“, legt Wolf dar. Er erklärt, dass er mit Hans-Werner Sinns These, das Ganze aus Sicht die Integration der Kapitalmärkte in der Eurozone zu betrachten, nicht teilt. Sinn vertritt die Meinung, dass die Investitionen wegen des Kapitalabfluss in die Peripherie zum Stocken gekommen sind. Wolf ist damit überhaupt nicht einverstanden: (1) Der Euro ist nicht die entscheidende Erklärung für schwache deutsche Investitionen. Die Realzinsen sind laut Wolf Einschätzung nach 1999 auch in Deutschland gesunken. Es ist schwer zu glauben, dass private Investitionen in Deutschland verdrängt worden sind („crowding-out“), so Wolf. Es sei mehr plausibel, dass es mit der schwachen Nachfrage im Inland, mit strukturellen Verkrustungen und Globalisierung zu tun, dass Investitionen zurückblieben, und (2) Die Gewinne an der Peripherie sind vorübergehend gewesen, wenn nicht illusorisch, argumentiert Wolf weiter. Das Kapital ist laut Wolf überwiegend in den Bausektor und in andere nicht-handelbare Tätigkeiten zugeflossen. Zudem sei ein unhaltbarer Konsum angetrieben worden. Die Leistungsbilanzdefizite wurden riesig. Es mag sein, dass die deutschen Investoren Gelder an der Peripherie verloren haben. Aber die Kosten dieses Boom-Bust-Musters wird an der Peripherie grösser und anhaltender, so Wolf. Die Risiken eines verlorenen Jahrzehnts sind daher hoch, schlussfolgert Wolf.


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