Dienstag, 28. September 2010

Das Trickle-Down Argument

Die Befürworter der Bush-Steuersenkungen behaupten, dass das Verfallen der Steuersenkungen für die oberen Einkommensgruppen ein schwerer Rückschlag für die Wirtschaft bedeuten würde, weil diese Steuerzahler einen grossen Anteil an Verbraucherausgaben ausmachen. Wenn sie ihre Ausgaben nicht steigern, dann käme die Erholung der Wirtschaft zum Stillstand, lautet das Argument weiter. Folglich würden alle darunter leiden. Ein ähnliches Argument war auch bei Steuersenkungen während der Reagan-Ära zu hören. Was weiss man aber heute über das Verhältnis der Steuersätze und der Konsumausgaben. Wie gross ist der Trickle-down Effekt, falls messbar? Die New York Times (NYT) befragt dazu eine Reihe von renommierten Experten wie Laura Tyson, Mark Zandi, William Gale, Linda Beale  und Matthew Weinzierl. James Galbraith nimmt dazu mit einem Keynes Zitat (1919) Stellung:



“The new rich of the nineteenth century were not brought up to large expenditures, and...herein lay, in fact, the main justification of the Capitalist System. If the rich had spent their new wealth on their own enjoyments, the world would long ago have found such a regime intolerable."

Die angebotsorientierte Wirtschaftspolitik wurde in der Reagan-Ära als „saving, investing and work effort“ angepriesen. Die tatsächliche Wirkung war aber ganz anders, erklärt Galbraith. Niedrige Steuersätze auf Einkommen und Kapitalerträge hat die CEOs ermutigt, ihre eigene Vergütung anzuheben. Die flüssigen Mittel gingen in den Luxus. Wolkenkratzer für Unternehmen wurden hochgezogen. MacMansions kommen in Mode. Manche nennen es „plutonomy“ („Herrschaft des Geldes“), bemerkt der an der University of Texas, Austin lehrende Wirtschaftsprofessor. Heute prangern manche Präsident Obamas Entscheidung, die Steuersenkungen der Bush-Ära für die „top-tier“ auslaufen zu lassen, an, indem sie argumentieren, dass man in einer Rezession die Ausgaben nicht kürzen soll. „Es ist wahr. Es gehen Arbeitsplätze verloren“, bemerkt Galbraith. Wenn aber die Steuersenkungen für die „top-tier“ verlängert werden sollten, um den Verbrauch zu fördern, dann ist es gerade recht, zum Beispiel die Lohnsummensteuer für Urlaub zu kürzen, das Rentenalter unter Social Security vorübergehend zu verringern, und die Förderfähigkeit im Alter für Medicare dauerhaft zu reduzieren. Der soziale Fall ist besser, weil die Arbeiterfamilien von der Krise härter betroffen worden sind, so  Galbraith.

Ist aber die Förderung des privaten Verbrauchs einer wohlhabenden Minderheit wirklich ein nationales Ziel? Ist es die Antriebskraft für die Wirtschaft, die wir uns wünschen? Sollen wir die Grenzen des hohen Lebensstandards ausbauen, während Lehrer und Polizisten entlassen und Parks und Bibliotheken geschlossen werden?, fragt Galbraith. Wenn nicht, dann sollte das Einkommensteuergesetz etwas anderes fördern: Infrastruktur, Energieeinsparung, kommunale Dienstleistungen, Jobs, Unternehmensinvestitionen und Mittelklasse, um nur ein paar Beispiele zu nennen, fasst Galbraith zusammen.

Exkurs:
Der Begriff Trickle-down Effekt gehört zu den Annahmen einer angebotsorientierten Wirtschaftspolitik. Nimmt der Wohlstand der Reichen zu, dann sickert der Nutzen auch in die unteren Schichten der Gesellschaft durch. Während der Reagan-Ära in den 1980er Jahren wurde der Begriff zur Rechtfertigung des Programms zur Senkung der Steuersätze für die Reichen herangezogen.




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