Mittwoch, 8. Februar 2012

Können steigende Zinsen eine kräftige Erholung auslösen?

Bill Gross hat sich im Sog der Krise einige Sympathien verscherzt. Vor allem mit pseudo-makroökonomischen Aussagen. Zuletzt hat der Fondsmanager und Gründer von PIMCO in einem wunderlichen Artikel in FT gefordert, dass die Fed die Zinsen erhöhen soll, um die Wirtschaft anzukurbeln.

Die Idee ist natürlich unsinnig, wie Paul Krugman neulich in seinem Blog ausführlich unter Beweis gestellt hat.

Nun nimmt auch David Beckworth in seinem Blog dazu Stellung.

Gross redet von financial repression via Fed, dass die Netto-Zinsmarge (net interest margin, d.h. die Differenz zwischen den Refinanzierungskosten und den Kreditzinsen) für Finanzintermediäre wegen der Niedrigzins-Politik der Fed gequetscht werde. Da die Fed die Renditen entlang der gesamten Ertragskurve (yield curve) weiter nach unten drücke, nehme die Bereitschaft für die Kreditvergabe in der Wirtschaft ab.

Gross hat nicht Unrecht, wenn er sagt, dass höhere Zinsen i.d.R. mit einem starken Wirtschaftswachstum einhergehen. Aber die Kausalität gilt auch umgekehrt. Das heisst, dass die Konjunktur heute nicht schwach ist, weil die Zinsen niedrig sind, sondern die Zinsen sind niedrig, weil die Wirtschaft schleppend verläuft.

Die Nachfrage nach Kredit durch private Haushalte und Unternehmen ist derzeit einfach deprimiert, unterstreicht Beckworth: es herrscht Unsicherheit. Es findet Schuldenabbau (deleveraging) statt. Und die Kreditaufnahme ist rückgängig.


Standard IS-LM Modell, Graph: Prof. David Beckworth

Mit anderen Worten wären die Zinsen heute niedrig, auch wenn es die Fed nicht gäbe, hebt der an der University of Texas, San Marcos lehrende Wirtschaftsprofessor hervor.

Es gibt sogar für den dazu zugrunde liegenden Zinssatz einen Namen: Gleichgewichtszinssatz oder natürlichen Zinssatz (natural interest rate). Es ist der natürliche Zinssatz und die Laufzeitstruktur (term structure), welche depressiv sind und die Zinsmarge drücken, nicht die Fed-Politik, hält Beckworth fest.

Zur Erklärung des Zinssatzes bezieht sich Beckworth ferner auf das Standard IS-LM Modell (in Englisch hier). Das Modell hat zwei Kurven:

Die IS-Kurve zeigt die Kombinationan von Zinssätzen und der realen Produktion (real output), wo die geplanten Ersparnisse Investitionen entsprechen (oder die Ausgaben mit dem Output übereinstimmen). Diese Kurve ist nach unten geneigt.

Die LM-Kurve zeigt die Kombinationen von Zinssätzen und dem realen BIP (Y), wo der Geldmarkt im Gleichgewicht ist. Diese Kurve ist, da die Fed eine Zielgrösse für den Zinssatz verfolgt, horizontal und in der Abbildung mit Vollbeschäftigung (oder dem natürlich Output, der roten Linie, Y-Natural) dargestellt. Der natürliche Zinssatz (i-Natural) erscheint dort, wo die IS-Kurve die Kurve für Natural Output schneidet.


Standard IS-LM Modell, Graph: Prof. David Beckworth

Es gilt, zu bemerken, dass die Abbildung keine Konjunkturzyklen beinhaltet. Der tatsächliche Output wird mit dem natürlichen Zinssatz erzielt. Und der natürliche Zinssatz ist auf seinem natürlichen Niveau.

Nun stelle man sich einen negativen Schock vor, der dazu führt, dass die geplanten Ersparnisse steigen und die geplanten Investitionen zurückgehen. Dies hat zur Folge, dass die gesamtwirtschaftliche Nachfrage fällt und die IS-Kurve von IS-1 auf IS-2 verschiebt.

Das führt dazu, dass der natürliche Zinssatz von 4,0% auf Minus 2% fällt. Die Fed sieht, dass die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zusammenbricht und senkt sofort die Zinsen auf fast Null Prozent, sagen wir auf 0,25%. Das verschiebt die LM-Kurve von LM-1 auf LM-2.

Was hier bemerkenswert ist, dass die Fed die Zinsen nicht unter Null senken kann. Doch muss sie etwas unternehmen, um die Produktionslücke (output gap) zu schliessen und die Vollbeschäftigung wiederherzustellen. Es geht aber nicht, weil die Null Untergrenze erreicht ist.

„Die Wirtschaft steckt in einer Rezession und die Bill Gross‘ der Welt schliessen daraus, dass die niedrigen Zinsen die Probleme schaffen. Daher denken sie, dass die Fed die Zinsen erhöhen muss (d.h. die LM-Kurve weiter nach oben verschiebt). Aber sie sehen nicht, dass auf diese Weise die Lücke zwischen dem aktuellen und dem natürlichen Zinssatz vergrössert würde. Das würde die Geldpolitik straffen und die Wirtschaft tiefer in Rezession schicken“, fasst Beckworth zusammen.

PS:

Was diejenigen, die jetzt eine Zinserhöhung fordern, zu vergessen scheinen, ist, dass der Zinssatz durch Nachfrage nach und Angebot an Geld bestimmt wird. Der Unterschied ist nur, wie Krugman in seinem Lehrbuch erklärt, dass die Zentralbank das Geldangebot so steuert, dass der beabsichtigte Zinssatz erreicht wird. 

Die Fed setzt eine Zielgrösse für das Zinsniveau und lässt das Geldangebot zur Zielerreichung schwanken. Es ist also ein Fehler zu sagen, dass der Zinssatz nicht Geldangebot und Geldnachfrage widerspiegelt, weil die Fed den Zinssatz (Fed Funds Rate) festsetzt. Man muss also auseinanderhalten, wie die Zentralbank vorgeht, und wie die Volkswirtschaft funktioniert.

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