Der Anstieg der Übernacht-Einlagen der Banken bei der EZB ist in aller Munde. Was ist davon zu halten? Bedeutet die Zunahme der Überschussliquidität der Banken Hortung von Liquidität? Eher nicht.
Eine gestern am Valentinstag veröffentlichte Forschungsarbeit („On Europe’s Effects on Australien Financial Markets“) der Reserve Bank of Australia (h/t to FT Alphaville) bietet einige aufschlussreiche Beobachtungen.
Das Argument, dass die Massnahmen, die die EZB trifft, nicht greifen, weil die Geschäftsbanken bei der EZB immer mehr Gelder über Nacht (over night) parken und die Liquidität nicht in die Realwirtschaft lenken, ist nicht angemessen, bemerkt Guy Debelle, Assistant Governer der australischen Zentralbank.
Die Grösse der Einlagen des Bankensystems bei der EZB wird vollständig durch die Liquiditätssteuerung der EZB-Operationen bestimmt. In der EZB-Bilanz müssen die Vermögenswerte, die durch die Kreditvergabe an das Bankensystem erzeugt werden, auf der Passivseite als Bankeinlagen bei der EZB erscheinen, erklärt Debelle. Das heisst, dass die EZB durch ihre Liquiditätsoperationen die Grösse ihrer Bilanz bestimmt.
Geldmultiplikator: Grossbritannien, Euro-Zone und USA, Graph: Guy Debelle, Reserve Bank of Australia in: „On Europe’s Effects on Australien Financial Markets“
Die Höhe der Einlagen bietet aber keine wirkliche Information über und jenseits des Netto-Betrags, den die EZB in das System pumpt, was bereits bekannt ist. Es sagt also nichts darüber aus, was die Banken mit den Mitteln machen, die sie von der EZB leihen. Oder wie viele Male diese Mittel im System zirkulieren, bevor sie wieder bei der EZB landen. Das gilt für alle Zentralbanken, nicht nur für die EZB.
Aussagen, dass der Anstieg der Einlagen der Banken bei der Fed darauf hindeuten, dass die Massnahmen der Fed unwirksam sind, sind daher auch irreführend. Die Höhe der Bankeinlagen bei der Fed stellen das Spiegelbild der Liquiditätsoperationen der US-Notenbank dar.
Wofür werden aber diese Einlagen verwendent?
Ein Blick auf den Verlauf des Geldmultiplikators verhilft, etwas mehr Einzelheiten zu enthüllen.
Der Geldmultiplikator ist das Verhältnis eines breiten Geldmengenaggregats (M1, M2 oder M3) zu der Geldbasis (money base), welche mehr oder weniger unter der Kontrolle der Zentralbank ist. Die Abbildung zeigt einen grossen Rückgang des jeweiligen Geldmultiplikators in den USA, der Euro-Zone und in Grossbritannien.
Diese Rückgänge liefern einige Hinweise, dass die Banken die Liquidität nicht wie in der Vergangenheit zirkulieren lassen. Und der Rückgang des Geldmultiplikators hat mit dem Schuldenabbau (deleveraging), der heute im Bankensektor und in den Bilanzen der privaten Haushalte stattfindet, zu tun. Die Volkswirtschaften in diesen Regionen wären heute wahrscheinlich erheblich schwächer gewesen, wenn die Zentralbanken ihre Bilanzen nicht ausgeweitet hätten.
Es sei aber auch interessant, etwas über das gleichwertige Konzept auf der anderen Seite der Bilanz nachzudenken, legt Debelle dar, was er als „collateral multiplier“ bezeichnet. Kollateral-Multiplikator zeigt, wie oft Vermögenswerte (assets) ins System zurückgeführt werden, insbesondere im Zusammanhang mit Refinanzierungsaktivitäten.
Kollateral-Multiplikator kommt in Standard-Lehrbüchern nicht vor. Aber es ist ein wichtiges Konstrukt in der Welt der Schattenbanken, wo Repo, Kollateral Verpfändungen entscheidend sind. Es gibt dazu eine sehr interessante Forschungsarbeit von Manmohan Singh und Zoltan Pozsar beim IWF, hebt Debelle hervor.
Allem Anschein nach findet gerade eine deutliche Verringerung der Geschwindigkeit von Sicherheiten (collateral) statt. Zum Teil, weil die Bereitschaft für die Ausleihung von Wertschriften seitens einiger Vermögensverwalter abnimmt, und zum Teil, weil es nun neue regulatorische Vorschriften gibt. Diese Entwicklung hat auf die Bereitstellung von Kreditvergabe insbesondere im Schattenbanken System Auswirkungen. Es ist deswegen sicherlich wert, hierbei etwas mehr zu analysieren.
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