Buchbesprechung:
Heiner Flassbeck: Zehn Mythen der Krise. Suhrkamp Verlag, Berlin, 2012.
Dem Mainstream-Ökonomen, der dem Dogma Monetarismus verfallen ist, geht es immer um die Frage Staat versus Markt. Da seinem Weltbild die ideologische Offenheit fehlt, betrachtet er den Markt von vornherein als effizient. Das heisst, dass der Staat das Problem und der Markt die Lösung ist.
Im Mittelpunkt steht stets das einzelwirtschaftliche Denken. Die Suche nach Erkennung von Zusammenhängen ist deshalb nicht erforderlich. Daraus folgt, auf die Gegenwart bezogen, dass die Staatsschulden die eigentliche Ursache der Krise in der Eurozone seien. Denn: schiebt man die Schuld dem Staat in die Schuhe, lässt sich der Markt reinwaschen. Die herrschende Lehre bemüht sich darum, aus der Finanzkrise eine Staatsschuldenkrise zu machen.
Vor diesem Hintergrund deutet Heiner Flassbeck auf die komplexen wirtschaftlichen Zusammenhänge hin und beklagt die mangelnde Bereitschaft in wirtschaftspolitischer Hinsicht, die richtige Diagnose zu erstellen. Der Chef-Volkswirt der UN-Handelsorganisation (UNCTAD) in Genf legt daher grossen Wert auf Aufklärung und Entmyhologisierung, um hierbei eine Wende zu erzwingen.
„Wir haben nicht die Politiker, die Politik in der globalen Ökonomie machen könnten, und wir haben nicht die Ökonomen, die in der Lage wären, ein Design für diese globale Ökonomie zu entwerfen. So wurschtelt sich die Weltwirtschaft in die Zunkunft .... Auf der Strecke bleiben die einfachen Menschen – und am Ende die Demokratie“, hält der ehemalige Staatssekretär im Finanzministerium (1998-1999) fest.
Die Staatsschulden sind nicht die Ursache der Krise, sondern die Folge von Ungleichgewichten im Aussenhandel. Die Eurozone befindet sich nach der neulich erzielten Vereinbarung auf einen Fiskalpakt nun definitiv auf dem Holzweg. Denn wenn alle Länder in der Eurozone versuchen, die Probleme durch internal devaluation (d.h. Lohnsenkung) zu lösen, wird das Ergebnis Deflation sein, unabhängig davon, wieviel Geld die EZB in das System pumpt, wie Flassbeck darlegt.
Die Merkel-Regierung schlägt zudem vor, dass alle Staaten in der Eurozone die Krise wie Deutschland durch mehr Exporte überwinden sollen. Da die Überschüsse Deutschlands die Defizite der anderen Länder in der Eurozone sind, müsste der Rest der Mitgliedstaaten in Europa Ausserirdische finden, die bereit sind, in der Eurozone auf Pump Waren und Dienstleistungen zu kaufen.
Wie absurd der rigorose Sparkurs (fiscal austerity) ist, zeigt sich heute in der Verschärfung der Krise in Griechenland, Italien, Portugal und Spanien.
„Der Mythos des unfehlbaren Marktes und des extrem fehlbaren Staates überlagert jeden Versuch einer objektiven Ursachenanalyse“, erklärt Flassbeck.
Er legt in seinem ausgezeichneten Buch die folgenden 10 Mythen der Krise dar.
Mythos 1: Finanzmärkte sind effizient und fördern unseren Wohlstand.
Mythos 2: Die Regierungen haben erkannt, dass sie handeln müssen.
Mythos 3: Die Staatsschulden sind die eigentliche Ursache der Krise.
Mythos 4: Wie leben über unsere Verhältnisse.
Mythos 5: Es gibt gar keine Eurokrise, Europa ist wegen der zu hohen Schulden einiger kleiner Länder in der Krise.
Mythos 6: Ganz unabhängig von den Ursachen. Die Staaten müssen sparen.
Mythos 7: Alle müssen ohne Schulden auskommen.
Mythos 8: Die Notenbanken inflationieren die Wirtschaft, um die Staaten zu retten.
Mythos 9: Deutschland wird zum Zahlmeister Europas
Mythos 10: „Weiter so“ ist eine Option für Deutschland.
Flassbeck zeigt, wo der Hammer hängt. Wer glaubt, nicht viel Zeit zu haben und deswegen nur ein einziges Buch zum Thema Euro-Krise lesen will, kommt an diesem Buch nicht vorbei. Als wirtschaftspolitische Pflichtlektüre ist es unbedingt lesenswert. Es ist ein hervorragendes Buch für alle mit intellektueller Neugier, welches gesamtwirtschaftliche Kausalitäten mit bemerkenswertem Scharfsinn aufzeigt.
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