Mittwoch, 29. Februar 2012

Hat die EZB demnächst ein negatives Eigenkapital?

Die EZB hat heute zum zweiten Mal zu einem festen Zinssatz von 1% Kredit an Banken für drei Jahre verliehen.

Insgesamt 800 Banken haben laut EZB nach dem zweiten langfristigen Refinanzierungsgeschäft (genannt LTRO) gefragt.

Die EZB hat 529,5 Mrd. Euro zugeteilt. Die Brutto Liquidität im System beläuft sich damit nach Angaben von Morgan Stanley auf 1‘203 Mrd. Euro. Die Überschussliquidität ist zugleich auf 800 Mrd. Euro gestiegen, wie in der Abbildung zu sehen ist.

Die EZB-Exposition gegenüber Staatsanleihen aus der EU-Peripherie und einer Vielzahl von anderen Vermögenswerten von zweifelhafter Qualität hat jedoch inzwischen Bedenken im Hinblick auf die Zahlungsfähigkeit der Zentralbank ausgelöst, wie FT Alphaville unterstreicht.

Die Bedenken sind fehl am Platz. Eine Zentralbank kann nicht Pleite gehen. Die grosse Mehrheit der EZB-Verpflichtungen lauten auf Euro und die EZB kann im Falle von Verlusten einfach mehr Geld drucken.

Kann aber eine Zentralbank durch ein negatives Eigenkapital ihre Handlungsfähigkeit verlieren?

Die kurze Antwort lautet: Nein, wie Thomas Jordan, Vize-Präsident der Schweizerischen Nationalbank (SNB) in einem Referat im September 2011 hervorgehoben hat.


Liquidität und Überschussliquidität im Eurosystem, Graph: Elaine Lin und Calvin Tse, Morgan Stanley

Eine Zentralbank ist erstens nicht mit einer Geschäftsbank oder einem privaten Unternehmen vergleichbar. Die Zentralbanken können nicht illiquid werden. Das hat zur Folge, wie Jordan festhält, dass eine Zentralbank nicht in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt ist, wenn ihr Eigenkapital vorübergehend negativ wird.

Eine Zentralbank kann zweitens aufgrund des Notenmomopols gegenüber normalen Unternehmen einen Finanzierungsvorteil und kann nach Verlusten langfristig immer wieder Eigenkapital aufnehmen.

Ein über lange Zeit anhaltender Zustand von negativem Eigenkapital ist natürlich auch für eine Zentralbank nicht unproblematisch, weil die Glaubwürdigkeit und die Unabhängigkeit der Notenbank gefährdet werden kann.

Während die EZB und das Eurosystem über einen Kapitalpuffer in Höhe von 80 Mrd. Euro verfügen, was eine relativ kleine Summe darstellt, beläuft sich die Bilanzgrösse des Eurosystems laut FT Alphaville auf 2‘700 Mrd. Euro.

Willem Buiter und Ebrahim Rahbari schreiben in einer aktuellen Forschungsarbeit bei Citigroup, dass die EZB dennoch einen Verlustausgleich in Höhe von 3‘400 Mrd. Euro absorbieren kann, d.h. mehr als die Grösse der Zentralbank-Bilanz

Wie?

(1) Die Autoren deuten auf die Neubewertungsposten (revaluation accounts) hin, welche unrealisierte Gewinne im Eurosystem in Bezug auf Gold- und Devisenbestände und andere Investitionen einschliessen. Legt man alle diese Konten im Eurosystem zusammen, könnte die EZB einen Verlust in Höhe von 500 Mrd. Euro absorbieren, bemerken Buiter, das ehemalige Mitglied des geldpolitischen Ausschusses der britischen Notenbank und Rahbari, Ökonom bei Citigroup.

(2) Seigniorage, d.h. das Monopol des Eurosystems, Euro Banknoten und -Münzen zu schaffen.

Der wichtigste Vorzug des EZB bzw. Eurosystems erscheint nicht in der Bilanz. Diese Anlageklasse ist das Monopol des Eurosystems, die Euro-Banknoten und die anderen Komponenten der Geldbasis zu schaffen.


Geldangebot im Eurosystem, Graph: Willem Buiter und Ebrahim Rahbari, Citigroup

Seigniorage tritt auf, weil die Noten zu einem Bruchteil ihres Nennwertes ausgegeben werden können. Und die Analyse der unten abgebildeten Grafik legt nahe, dass Bargeld (cash) trotz des Anstiegs des elektronischen Zahlungsverkehrs mehr denn je gefragt ist.

Vorausgesetzt, dass sich der Trend in der Abbildung fortsetzt, würde die Seigniorage „mindestens“ 2‘000 Mrd. Euro Ertrag abwerfen.  Mit dem ausstehenden Bestand an Euro Banknoten, welche einen Nennwert von 875 Mrd. Euro verkörpern, würde die Gesamtsumme 3‘400 Mrd. Euro decken, fassen die Autoren zusammen.

Alles schön und gut. Aber, da die künftigen Gewinne aus Seigniorage ausserbilanziell sind, könnte die EZB-Bilanz immer noch einen Verlust aufweisen, bis die Gewinne realisiert werden. Zukünftige Gewinne bieten also keine unmittelbare Abhilfe, um die Frage mit dem negativen Eigenkapital anzugehen. Das stellt dennoch kein grosses Problem dar, da die EZB mit einem negativen Eigenkapital ein weniger glückliches Dasein führen würde.

Eine Zentralbank lässt sich gewöhnlich nicht von Gewinnüberlegungen leiten. Sie hat vielmehr die Preisstabilität zu gewährleisten und dabei der konjunkturellen Entwicklung Rechnung zu leisten. Genau darauf kommt es im depressiven Umfeld der globalen Wirtschaft sehr an.

1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Ja, ja, "eine Zentralbank kann nicht pleite gehen!".

Das ist theoretisch nicht verkehrt.

Das Dumme ist nur, dass irgendwann 'Geld' aufhört 'Geld' zu sein.

Wie jetzt?

Na wie lautet die einfachste aber auch elementarste Definition von 'Geld'? Geld ist das allgemein akzeptierte Zahlungsmittel!

Und daran hakt es dann halt immer irgendwann.

Es scheint paradox, ist es aber nicht: durch zu viel Geld, entsteht irgendwann zu wenig Geld - weil das Geld zwar physisch und buchhalterisch im Umlauf ist, aber nicht mehr als allgemeines Zahlungsmittel akzeptiert wird. Inflation erzeugt so Deflation. Assignaten waren ein Beispiel.

Bis dahin ist es noch ein weiter Weg? Nee! Die Leute gehen schon seit 10 Jahren ins Gold. Die Nachfrage nach Immofonds, Riester-Renten und Lebensversicherungen sinkt.