Samstag, 17. Oktober 2009

Finanzkrise und Medien: Kritische Distanz?

Irgendwie scheint die Dringlichkeit der makroökonomischen Probleme bei der Berichterstattung der Medien über die Finanzkrise unterzugehen. Meinungsmache bestimmt das Schwergewicht. Die Presse reduziert die Finanzkrise und die Rezession in erster Linie auf politische Machtkämpfe: „Konjunkturpaket“, „Bailouts“, „Markt ist Lösung“, „Staat ist Problem“ usw. stehen zumeist im Mittelpunkt, nicht aber die Probleme in der Realwirtschaft. Seitdem die Aktienmärkte sich erheblich erholt haben, ist die Versorgung der Öffentlichkeit mit Fakten über den Zustand der Wirtschaft nur noch eine Mangelware geworden. Yves Smith zeigt in Naked Capitalism via James Kwak in Baseline Scenario, wie ein grosser Teil der Mainstream-Medien derzeit dem Thema „alles ist OK“ bzw. „business as usual“ verfallen ist.

Yves Smith diskutiert eine psychologische Studie, die aufzeigt, dass Menschen leicht beeinflusst werden können, an Dinge zu glauben, die nicht wahr sind, einfach weil die Menschen um sich herum an diese Dinge zu glauben scheinen. Frau Smith führt dieses Phänomen auf zwei Hauptquellen zurück: (1) die stetige Entwicklung des Journalismus in ein gewinnorientiertes Unternehmen, welches sich nicht mehr leisten kann, massiv in investigativen Journalismus zu investieren, und (2) die zunehmende Fähigkeit der Politiker, dem Vorbild der privaten Unternehmen folgend, die Botschaften, die über die Medien übetragen werden, zu kontrollieren. Die Bush-Administration war z.B. in Punkt (2) ein Meister.

Das Hauptproblem in dieser Geschichte ist, wie James Kwak hervorhebt, dass die Regierungen sich ermutigt fühlen, zu vermeiden, dass die Schwachstellen am Finanzmarkt und im politischen System bewältigt werden. So hat sich bisher im eigentlichen Sinne gar nichts geändert. Eine äusserst schwere Rezession wird minimiert und dadurch impliziert, dass kaum etwas getan werden muss, um Millionen von Menschen, die von der Krise hart betroffen sind, zu helfen. Das ist aber die Botschaft, die die Regierungen verbreiten. Wie Kwack bemerkt, gibt es nur ein paar verrückte Menschen, die ihre Freizeit damit verbringen (oder darf man sagen zubringen), via Blogs wachsam und unabhängig darüber zu berichten. Das ist auch diesseits des Atlantiks nicht anders. Die Medien werden von der Herrschaft der Meinungsmache überrannt. Wie Albrecht Müller in seinem ausgezeichneten Buch „Meinungsmache“ überzeugend darlegt, ist die Berichterstattung hierzulande „durch die Nähe und Kooperation mit Wirtschaft und Verbänden geprägt, statt durch Vorsicht und Abstand“. Die Medien haben wegen der engen Interessenverpflechtung mit der Finanzwelt kläglich versagt. Lediglich Blogs leisten kritische Beiträge zur Aufklärung der Finanzkrise.

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