Mittwoch, 21. Oktober 2009

Euro im Höhenflug: Eine Über-Währung?

Der Euro ist eine Währung auf Steroiden, schreibt Willem Buiter in seinem Blog bei FT. Prof. Buiter (an der School of Economics) deutet dabei natürlich auf die „schonungslose nominale und reale Aufwertung“ der Gemeinschaftswährung seit dem Ende des Jahres 2000 hin. Nach einem kurzen Unterbruch hat der Euro in der zweiten Hälfte 2008 wieder an Fahrt aufgenommen. Der Kursanstieg setzt sich 2009 mit aller Macht fort. Die Stärke der Währung betrifft insbesondere Sektoren im Export- und Import-Wettbewerb, bemerkt das ehemalige Mitglied des geldpolitischen Ausschusses der BoE. Die übermässige Aufwertung des Euros trägt laut Buiter zu einer signifikanten und anhaltenden Unterschreitung („undershooting“) der Inflationsrate, welche nach der Definition der EZB mit Preisstabilität auf mittlere Sicht in Einklang steht, bei. Die HICP-Inflation betrug im Dezember 2008 1,60% und fiel im Mai 2009 auf Null Prozent und verharrt seitdem negativ. Was macht aber die Stärke der Über-Währung aus?, fragt Buiter. Seine Erklärung ist unverblümt: Die Unfähigkeit der Entscheidungsträger, zu verstehen oder vorherzusagen, was die Geldpolitik verstärkt, wenn es darum geht, die relativen Preise von zumindest zwei Währungen zu erklären. Buiter’s Aussage ist unmissverständlich, dass die Eurozone heute den Preis für die übertrieben restriktive Geldpolitik der EZB zahle.


Headline and core inflation in the Euro Area, Graph: Prof. Willem Buiter's Blog

Die Geldpolitik der EZB ist im Zusammenhang mit der von ihr auferlegten mengenmässigen Ausdrucksweise ihres auf EU-Vertrag beruhenden Mandants übermässig straff, hält der ehemalige Chefökonom an der „Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung“ zurecht fest. Es gebe seiner Einschätzung nach keinen Zweifel, dass die EZB ihr Mandat von der Preisstabilität asymmetrisch auslegt: Während übermässige Inflation unter allen Umständen vermieden werden muss, kann übermässige Deflation toleriert und rationalisiert werden. Die Geldpolitik der EZB ist auch im Hinblick auf die geldpolitische Haltung der anderen Industrieländer, v.a. die USA, Japan und GB straff. Darf die EZB aber den Wechselkurs nicht betrachten? Natürlich darf sie das. Und die EZB ist in der Tat gemäss dem Vertrag über die Europäische Union verpflichtet, das zu tun. Nur weil sie die Preisstabilität als das vorrangige Ziel sieht, bedeutet nicht, dass sie die anderen Ziele ausser Acht lassen darf, solange die Ausübung dieser Aufgaben das Ziel der Preisstabilität nicht beeinträchtigt. Der Vertrag über die EU ist sehr klar in dieser Hinsicht, hebt Buiter hervor. Er zitiert v.a. den Artikel 105. Buiter zeigt insbesondere anhand der Asymmetrie in der Reaktion der EZB auf die Inflationsraten auf, wie willkürlich die europäischen Geldpolitiker sich manchmal auf die Headline Inflation und manchmal auf die Core Rate der Inflation stützen, mit dem Zweck, um den straffen Kurs der Geldpolitik zu rechtfertigen bzw. beizubehalten. Buiter sieht darin eine „wesentliche Gefahr für die Unabhängigkeit der Institution“. Die EZB spricht mit gespaltener Zunge, indem sie sich um die Inflation mehr sorgt als um die Deflation. Das sei eine Verletzung ihres Mandats, unterstreicht Buiter. Die EZB verfügt noch über 100 Basispunkte. Selbst wenn sie den Satz für Hauptrefinanzierungsgeschäft und den für die Einlagenfazilität um 50 Basispunkte senken würde, würde das die Chance erhöhen, über eine koordinierte Devisenmarktintervention, den Euro-Wechselkurs wirksam zu schwächen, so Buiter.

Fazit: Das Inflationsziel von höchstens 2% wirkt wie ein Dogma. Die Überbewertung der Preisstabilität durch die EZB und die migrantenfeindliche Bundesbank ist im Euroland auch für die Verschärfung der Arbeitslosigkeit verantwortlich.

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