Dienstag, 10. November 2015

Defizit-Fetischismus und Wachstumsaussichten in Europa

Die Europäische Kommission hat vergangene Woche ihren Ausblick für Wachstum und Inflation in der Eurozone im nächsten Jahr gesenkt.

BIP für 2016: 1,8% (bisher: 1,9%),

Inflation für 2016: 1% (bisher: 1,5%), für 2017: 1,6%.

Das deutet darauf hin, dass die EU fast sieben Jahre nach dem Ausbruch der Krise immer noch auf der Suche nach Konjunkturbelebung ist.

Inflation und Wachstum bleiben hartnäcking niedrig. Warum? Weil die europäischen Entscheidungsträger sich weigern, die Tatsache zu erkennen, dass Haushaltsdefizite in einer schwer angeschlagenen Wirtschaft nicht schädlich, sondern nützlich sind.

Doch die Arbeitslosigkeit hat die Politik-Elite nicht besonders tangiert. Die EU-Behörden gingen sofort dazu über, sich über die Haushaltskonsolidierung Sorgen zu machen. Die Gedanken waren aber weder von der Evidenz noch von einer umsichtigen Analyse gestützt.

Der verbohrte und zerstörerische Defizit-Fetischismus hat damit im Euro-Raum die Oberhand gewonnen.



Inflationserwartungen im Euro-Raum (hergeleitet von implizierten Termin inflationsgeschützten Swapsätzen), Graph: EU Kommission in: Autumn 2015 forecast



In der von Bloomberg gestern vorgelegten Abbildung ist deutlich zu sehen, dass Ausgabenkürzungen in einer schwer angeschlagenen Wirtschaft die Depression vertiefen.
  


BIP-Entwicklung im Euro-Raum, Graph: Bloomberg


Die Inflationsrate belief sich im Euro-Raum in den vergangenen vier Jahren laut Bloomberg im Durchschnitt auf 1,2%Das heisst, dass die EZB seit mindestens vier Jahren das eigene Inflationsziel (ca. 2%) verfehlt.

Wenn zu viel Inflation schädlich ist, ist auch zu wenig Inflation schädlich: Wenn Preise fallen, können defaults und der anhaltende Schuldenabbau-Prozess (deleveraging) im überschuldeten Privatsektor die Wirtschaft tiefer in Depression drücken. Und die Fähigkeit der Zentralbank mit niedrigen Real-Zinsen, die Wirtschaft anzukurbeln, wird erschwert, wenn die Inflation unter null fällt.

Anstatt über Struktur-Reformen zu swadronieren, wäre zu erwarten, dass die EZB regelrecht als lender of last resort agiert.



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