Buchbesprechung:
L.
Randall Wray: Why Minksy Matters. An
Introduction to the Work of a Maverick Economist. Princeton University Press, New York, London, 2016.
Nach dem Ausbruch der Finanzkrise von 2008 ist in
manchen Kommentaren der Ausdruck „Minsky Moment“ aufgetaucht. Damit wurde im
Grunde genommen Hyman Minskys „financial
instability hypothesis“ Respekt gezollt.
Die Hypothese beschreibt die Transformation einer Volkswirtschaft von
einer „robusten“ zu einer „fragilen“ Finanzstruktur.
Minskys Maxime „stability is destabilizing“ betrifft in der Praxis eine Reihe von
Finanzkrisen in den vergangenen Jahrzehnten, wie z.B. savings and loan crisis in den 1980er Jahren, Aktienmarkt-Crash von
1987, LMTC Zusammenbruch (1998), Enron (2001) und dot-com Kollaps (2000-2001).
Jede der genannten Krisen hat am Schluss zu
massiven Eingriffen der öffentlichen Hand geführt. Minskys „stages Ansatz" basiert genau auf dieser
Vorstellung, dass eine Abwärtsspirale der Finanzmärkte nur durch den Staat
verhindert werde. Und damit werde eine erhöhte Risikobereitschaft mit mehr
Fremdkapitalaufnahme (leveraging) gefördert.
Deshalb hat Minsky in seiner Gedankenwelt den
Satz die „Stabilität destabilisiert“ geprägt. Und er hat nie an die Geschichte
von „rising tide lifts all boats“ (d.h.
dass dank der Marktdisziplin der Lebensstandard aller Menschen steigen würde) geglaubt.
Minskys Kritik richtete sich in erster Linie an
die mainstream economics, die davon
ausging, dass die Wirtschaft sich selbst stabilisiert, weil die Marktkräfte die
Wirtschaft wieder ins Gleichgewicht bringen würden. Seiner Ansicht nach ist die
„interne Dynamik der modernen Wirtschaft nicht nach Gleichgewicht getrachtet“:
Das System ist nicht stabil. Laissez-faire ist ein Rezept für wirtschaftliche
Katastrophe. Die neoclassical
(mainstream) economics ist nicht brauchbar, weil sie sich dagegenstemmt, zu
erkennen, dass es auf das Finanzsystem ankommt.
In diesem Zusammenhang hebt Minsky institutionelle
Zwänge (institutional constraints), die
er später circuit breakers
(Sicherungsautomat) umgenannt hat, hervor, angelehnt an Paul Samuelsons berühmtes linear-accelerator
Modell, um die Instabilität zu bekämpfen. Die Hauptrolle entfällt dabei auf (1)
„Big Government“, das Schatzamt, das eine antizyklische Fiskalpolitik (Überschuss
im Haushalt in Zeiten von Expansion, und Defizit in Zeiten von Rezessionen)
verfolgt und (2) „Big Bank“, die Zentralbank, die den den Fed Fund Markt pflegt
und als lender of last resort agiert, und zwar möglichst via discount window (einschliesslich
der Schatten-Banken).
Wir brauchen einen neuen New Deal (1933-1938) a la Roosevelt mit WPA (Works Progress Administration), um Arbeitsplätze zu schaffen, so
lautete die Botschaft von Minsky, der für gezielte Staatsausgaben war und daher
eine „typische“ Wirtschaftspolitik nach Keynes ablehnte.
Eine der Aussagen, die Wray öfters wiederholt,
ist, dass die Fed, wenn es darauf ankommt, via discount window interveniert anstatt via Openmarktgeschäfte. Denn
eine Zentralbank hat Geschäfts-, Aufsichts- und Überprüfungs-Beziehungen zu
Banken und den Märkten, wenn sie viel darüber wissen will, was sich dort abspielt.
Eine Kürzung der Verantwortlichkeit für die Überprüfung
und Aufsicht würde deshalb die Fähigkeit der Fed beeinträchtigen, ihre
geldpolitischen Funktionen angemessen auszuüben. Die Zentralbank ist in dem
Ausmass darüber im Bild, was in der Wirtschaft vor sich geht, wie sie die Banken
begutachtet. Öffnung des discount windows
bedeutet daher, dass die Banken, die bei der Zentralbank anklopfen, um
Liquidität gegen Sicherheiten (collateral)
zu bekommen, einen Einblick in ihre Bücher gewähren müssten. Würde auch das Shadow Banking System eingeschlossen,
wäre die Zentralbank auch über die Entwicklung ausserhalb des Bankensystems gut
informiert.
Minkskys Reformvorschläge zur Förderung eines
umsichtigen Bankensystems beinhaltet im Wesentlichen vier Punkte: (1)
Verbesserung des underwriting, (2)
erhöhte Eigenkapitalanforderungen, (3) bessere Auswertung der Banken durch discount window und (4) mikro- und
makroprudentielle Regulierung.
Anstelle von Machtkonzentration in den Händen von
einigen wenigen Grossbanken zieht Minsky es vor, kleinere Finanzinstitute zu
fördern, die eine breitere Palette von Dienstleistungen bieten, was Wray intensifying banking nennt.
Dieses wertvolle Buch ist keine Biographie,
sondern es stellt Minskys alternativen Ansatz für Wirtschaftstheorie und
–politik vor, und erklärt, warum es darauf ankommt: Minsky war davon überzeugt,
dass die Aufrechterhaltung der Vollbeschäftigung und Abbau der Armut und
Ungleichheit wesentlich sind, um Finanz- und Wirtschaftsstabilität zu verstärken.
Minsky hat an der University of Chicago (1919-1996) Mathematik und
Wirtschaftswissenschaften studiert. Dann war er an der Harvard University und später an der Brown University wissenschaftlich tätig. Am Schluss hat er von der University of California, Berkeley zu Washington University in St. Louis
gewechselt. Obwohl er als post-Keynesian erwähnt wird, bevorzugt er die
Bezeichnung „financial Keynesian“.
Minsky hat den Verbrauch als die stabilste Komponente
der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage betrachtet und daher einen höheren
Privatkonsum höheren Investitionen vorgezogen.
L. Randall Wray, der Wirtschaftsprofessor an der
University of Missouri, Kansas City ist, liefert ein unentbehrliches Werk;
erstklassig, unbedingt lesenswert.
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