Donnerstag, 12. November 2015

Austerität, Trugschluss und Wachstum

Die Rolle der Geld- und Fiskalpolitik in einer Rezession löst unter Ökonomen i.d.R. eine der wildesten Debatten aus. Im Wesentlichen geht es um die Frage, ob es für die Erholung der Wirtschaft auf die Nachfrage oder das Angebot ankommt.

Wenn man davon ausgeht, dass die gesamtwirtschaftliche Nachfrage gedrückt ist, empfiehlt sich geld- und fiskalpolitischer Stimulus. Wenn man aber daran glaubt, dass die Rezession durch einen Schock auf der Angebotsseite (z.B. durch zu hohe Steuersätze und/oder politische Unsicherheit) verursacht wurde, wird eine andersartige Abhilfe gefordert.

Die Rolle der Haushaltskonsolidierung bleibt daher wie im Allgemeinen auch in der Eurozone umstritten. Olivier Blanchard und Daniel Leigh hatten in einer Forschungsarbeit (“Growth Forecast and Fiscal Multipliers”) vor rund 3 Jahren argumentiert, dass der IWF und die EU-Kommission in ihren Projektionen die negativen Auswirkungen der Austeritätspolitik konsequent unterschätzt hätten.

Ansgar Rannenberg, Christian Schoder und Jan Strasky unterstreichen nun in einer lesenswerten Studie (“The macroeconomic effects of the Eurozone’s fiscal consolidation”) in voxeu, dass die Umstellung auf die Sparpolitik in der Eurozone mit einer Rückkehr der europäischen Wirtschaft in die Rezession einhergegangen ist.



Auswirkungen der Austeritätspolitik auf das Wirtschaftswachstum in der Eurozone, Graph: Ansgar Rannenberg, Christian Schoder und Jan Strasky in: “The macroeconomic effects of the Eurozone’s fiscal consolidation” in voxeu


Die Autoren zeigen, dass in der Eurozone von 2011 bis 2013 zunehmend eine restriktive Fiskalpolitik zum Einsatz kam. Laut EU-Kommission beliefen sich die Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen auf rund 4% des jährlichen BIP im genannten Zeitraum.

Im Basisszenario kürzt die Haushaltskonsolidierung das BIP um 2,5% bis 3,5%, je nach Modell, das die Autoren anwenden.

Die Haushaltskonsolidierung senkt die Ausgaben der öffentlichen Hand für Waren und Dienstleistungen und reduziert damit das verfügbare Einkommen der Haushalte über geringere Transferzahlungen und höhere Steuern.

Der Rückgang des verfügbaren Einkommens senkt die Käufe der bereits Kredit-eingeschränkten Haushalte. Daher schrumpft das BIP. Und der Rückgang des BIP wird durch drei Mechanismus verstärkt:

Die Abnahme der Beschäftigung reduziert die Kaufkraft der Kredit-eingeschränkten Privathaushalte.
Der Realzins steigt, wegen der sinkenden Inflation, da die Nominalzinsen an der Null-Grenze (zero lower bound) liegen, die sowohl den privaten Konsum als auch Investitionen verringert.
Die höheren Realzinsen und die gegenwärtig und künftig zu erwartende schwache Nachfrage drücken die Unternehmensinvestitionen. Der kumulative Multiplikator der Haushaltskonsolidierung belief sich auf 0,7 und 1,0 über die Zeit von 2011 bis 2013.

Die Schlussfolgerung der Autoren lautet, dass die Haushaltskonsolidierung im Zusammenhang mit Kreditbeschränkungen sowohl im Sektor für private Haushalte als auch im Sektor für Unternehmen grösstenteils für das schwache Wirtschaftswachstum zwischen 2011 und 2013 verantwortlich ist.

Die möglichen, hohen Kosten der Haushaltskonsolidierung wirft ausserdem die Frage auf, ob der Output-Verlust hätte verringert werden können, wenn die Haushaltskonsolidierung auf einen Zeitraum einer robusten Erholung der Wirtschaft verschoben worden wäre, wo die Zentralbank in der Handlungsfähigkeit durch die Nullzins-Grenze (zero lower bound) nicht eingeschränkt wäre?

Wie in der folgenden Abbildung dargestellt wird, hätte der Output-Verlust dann nur einen Bruchteil der nachteiligen Auswirkungen unter der restriktiven Geldpolitik ausgemacht.



Szenarien zur Schätzung des BIP-Verlustes in der Eurozone im Sog der Austeritätspolitik, Graph: Ansgar Rannenberg, Christian Schoder und Jan Strasky in: “The macroeconomic effects of the Eurozone’s fiscal consolidation” in voxeu.

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