Deutschland hat am Mittwoch zum
ersten Mal eine 10-jährige Staatsanleihe mit einem Kupon von 0,0% angeboten.
Auf der Versteigerung hat sich eine Rendite von minus 0,05% ergeben. Geboten wurden 4,7
Mrd. EUR. Und die Finanzagentur hat 4
Mrd. EUR zugeteilt.
Im Vorfeld der Auktion wurden deutsche
Bundesanleihen mit 10 Jahren Laufzeit bereits mit einer Rendite von minus 0,04% gehandelt.
Es lohnt sich, angesichts der anhaltenden hohen
Arbeitslosigkeit, einer zu geringen Inflation und des hohen Leistungsbilanzüberschusses
im Euro-Raum in Erinnerung zu rufen, dass die deutsche Regierung eine „schwarze Null“-Politik auf die Fahnen geschrieben hat.
Deutschlands Überschuss ist im vergangenen Jahr auf
249,1 Mrd. EUR geklettert, was 8,5% des BIP entspricht.
Obwohl der IWF und die EU-Kommission es der
deutschen Regierung ans Herz legen, den Überschuss allmählich abzubauen,
betrachtet Berlin den Zuwachs in der Leistungsbilanz als ökonomischen Erfolg.
Die erste deutsche Bundesanleihe (10 Jahre) mit
einer Negativ-Rendite auf einer Versteigerung, Graph: FastFT
Die deutsche Leistungsbilanz war in den 1990er
Jahren defizitär. Aber während der 2000er Jahren ist der Überschuss mit dem
Rest der Eurozone stetig angestiegen, bemerkt Gavyn Davies in seiner Kolumne in FT, zum Teil infolge von
Arbeitsmarkt-Reformen (genannt „Harzt“) und zum Teil wegen des Aufschwungs in
der EU-Peripherie in der Phase der EUR-Einführung.
Nach dem Ausbruch der Finanzkrise von 2008 ist der
Überschuss im Euro-Raum zwar etwas zurückgegangen, aber gegenüber dem Rest der Welt
hat sich der Anstieg fortgesetzt, zum Teil durch den Rückgang der Energiepreise
und zum Teil durch die EUR-Abwertung.
Deutschland begibt zum ersten Mal eine 10-jährige
Staatsanleihe mit Negativ-Rendite, Graph:
Bloomberg
Ein wichtiger Aspekt ist aber, dass der
Überschuss eine sich öffnende Lücke zwischen den Ersparnissen und den
Investitionen in Deutschland widerspiegelt: Hohen Ersparnissen der privaten
Haushalte stehen kaum Investitionen der privaten Unternehmen gegenüber, was natürlich
mit einem schwachen Wachstumsausblick der deutschen Wirtschaft einhergeht, argumentiert
Davies weiter.
Während private Haushalte, Unternehmen und die
öffentliche Hand einen financial surplus
ausweisen, fällt im deutschen Aussenhandel nur das Ausland mit einem Defizit im
Finanzierungssaldo auf.
Warum ist es aber ein Problem? Weil es ein
Nachteil für die gesamtwirtschaftliche Nachfrage im Rest der Welt bedeutet. Und
weil es schwierig wird, den Überschuss, wenn die nominalen Zinsen bereits nahe
null liegen, mit einer Niedrigzinspolitik zurückzufahren.
Das Lehrbuch besagt, dass die Einnahmen des einen
die Ausgaben des anderen sind. In der Welt, die derzeit durch die Gefahr einer „secular stagnation“ geprägt zu werden scheint, kann das nur ein schwaches Wachstum und
weiterhin niedrige Zinsen implizieren.
Was ist zu tun?
Deutschland erwartet vom Rest der Eurozone, sich
selbst auf die Schulter klopfend, „Arbeitsmarktflexibilisierung, Sozialabbau
und Selbstverantwortung“.
Was aber nicht vergessen werden darf, ist, dass der
Überschuss im Aussenhandel Deutschland damals nach den 1990er Jahren dank der Senkung
der Lohnstückkosten gelungen ist. Dass nicht alle Länder gleichzeitig einen Überschuss
erwirtschaften können, muss wahrscheinlich nicht näher erläutert werden. Deutschland
hat dazumal eine Art „internal devaluation“ durchsetzen können, ohne Deflation
auszulösen, weil die Inflation im Rest der Eurozone (wegen des oben erwähnten
Aufschwungs) wesentlich höher lag.
Es ist aber heute vermessen, vom Rest der
Eurozone zu erwarten, mit den gleichen Massnahmen wie Deutschland sie damals
ergriffen hat, eine Anpassung (der Austeritätskosten) durchzuführen.
Nicht vergessen werden darf, dass die deutsche
Wirtschaft gegenwärtig von einem schwachen EUR-Wechselkurs profitiert. Nach
Einschätzung des IWF (Germany: 2016 Article IV Consultation) ist der reale Wechselkurs Deutschlands heute im Grunde
genommen um 15 bis 20% unterbewertet.
Ohne EUR würde der deutsche Export-Sektor einen schweren Schlag hinnehmen, weil
der D-Mark sich stark aufwerten würde.
Wie verschroben ist es, dass Deutschland für 10
Jahre 4 Mrd. EUR Kredit aufnimmt, und zwar zu einem Zinssatz von minus 0,05%
und trotzdem auf Haushaltskonsolidierung besteht und die Euro-Finanzminister zum ersten Mal in der Geschichte Sanktionen gegen Spanien und
Portugal verhängen, weil die beiden Länder ein Defizit in einer schwer angeschlagenen
Wirtschaft verzeichnen.
PS:
Nach dem Stabilitäts- und Wachstumspakt der EU
ist maximal eine Neuverschuldung von 3%
des BIP erlaubt. Spanien hat 2015 ein Defizit von 5% und Portugal ein
Defizit von 4,4% ausgewiesen.
PPS:
Auch in der Schweiz
wurde gestern eine Staatsanleihe in CHF mit sage und schreibe 42 Jahren
Laufzeit versteigert. Im Ergebnis belief sich die Rendite auf der Auktion auf minus 0,023%. Es hat sich dabei um eine
Aufstockung gehandelt, mit Geboten in Höhe von 184,9 Mio. CHF; zugeteilt wurden
131,4 Mio. CHF.
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