Buchbesprechung:
Robin Hanson: The Age of EM. Work, Love, and Life when Robots Rule the Earth. Oxford University Press, New York,
London, 2016.
Eine Gehirnemulation (brain emulation,
kurz: ems) ist einfach ausgedrückt
die Nachbildung eines funktionierenden menschlichen Gehirns im Computer.
Wenn wir ein menschliches Gehirn scannen
(Hirnabbild) können, können wir es (die exakte Kopie) auf einen super-schnellen
Computer übertragen und damit ein Modell mit den gleichen Verbindungen zwischen
den Nervenzellen bauen. Und dann haben wir ein Roboter-Gehirn, das als
menschlich erkennbar ist.
Gehirnemulation hört sich wie eine Science
Fiction Story an. Aber das vorliegende Buch von Robin Hanson gehört eher in die Kategorie „Futurism“. Im Übrigen werden Emulationen manchmal auch „uploads“ genannt.
Die wichtigste Methode des Autors, neben dem gesunden Menschenverstand und
Trendprojektionen, sind Standard-Konsensus-Theorien in relevanten Bereichen der
Physik, Technik und Sozial- und Geisteswissenschaften, einschliesslich der
Praxis im geschäftlichen und gesellschaftlichen Leben, wie der
Wirtschaftsprofessor an der George Manson
University selbst beschreibt.
Gehirnemulationen benötigen drei unterstützende Technologien:
Gehirn-Scanner, Gehirnzellen-Modelle und Signalverarbeitungshardware (d.h.
Computers).
Gehirn-Scans werden laut Hanson möglicherweise durchführbar, wenn alle drei
dieser Technologien günstig genug sind und zuverlässig eingesetzt werden können.
Es scheint dem heutigen Kenntnisstand nach glaubwürdig, dass ausreichende
Fortschritte in etwa einem Jahrhundert oder so erzielt werden könnten.
In Gehirnemulationen werden also Gehirne aufgezeichnet, kopiert und gebraucht,
um künstliche Roboter-Köpfe (Denkart) herzustellen. Hanson verwendet dazu, wie
gesagt, Standard-Theorien der Physik sowie der Geistes- und Sozialwissenschaften,
um dann im Detail zu schildern, wie eine Welt mit dieser Zukunftstechnologie
aussehen würde. Ein Vorteil dabei ist, dass einzelne Kapitel unabhängig
voneinander gelesen werden können. Die Reihenfolge spielt keine Rolle, wobei es
nicht übertrieben wäre, eine nicht geringe Anzahl von Ausführungen esoterisch
zu bezeichnen, nicht im Sinne von unverständlich oder versponnen.
Der Autor erwartet, dass die Zukunft i.d.R. wie die meisten Orte aussieht:
banal, langweilig und moralisch zweideutig, mit grossen Hoffnungen und
Begründungen eines oft in stiller Verzweiflung maskierten Lebens, wobei auch
ein Leben in stiller Verzweiflung noch lebenswert sein kann.
Das Leben in der nächsten grossen Ära kann von unserem Leben heute so
verschieden sein wie unser Leben vom Leben der Bauern oder wie sich das Leben
der Bauern vom Leben der Jäger und Sammler unterscheidet.
Der Autor betont in diesem Zusammenhang drei entscheidenden Übergänge als
die grössten Veränderungen auf der Welt: Einleitung von Menschen, die
Landwirtschaft und die Industrie. Menschen haben nach Lebensmitteln gesucht,
von einer Million bis etwa vor 10'000 Jahren. Von da an bis vor ein paar
hundert Jahren waren wir mit der Landwirtschaft beschäftigt. Seitdem haben wir
uns entwickelt und verlassen uns auf die Industrie.
Ein interessantester Abschnitt behandelt die Wirtschaft in der em-Welt. Die
Löhne werden bis ans Existenzminimum
fallen, argumentiert Hanson, wie Thomas
Robert Malthus es um 1800 prognostiziert hat.
Wenn genug ems bereit und willens sind, sich kopieren zu lassen, dann wird
die Elastizität das Angebot an Arbeit rasant steigen. Höhere Elastizität
bedeutet, dass das Angebot sich mit der Nachfrage dort trifft, wo die Menge,
die nachgefragt wird, hoch, die Löhne aber niedrig sind.
Im Übrigen: Wenn die Hardware Kosten fallen, fallen auch die Löhne, so der
Autor. Ein gutes Beispiel aus der Gegenwart ist, dass manche Computer Chips
heute eine nach unten geneigte Angebotskurve haben, wo eine grössere Nachfrage
für das Produkt die Preise herabsenkt, während die Industrie von Skaleneffekten
profitiert.
Eine naheliegende Frage ist, in welcher Beziehung die künstliche
Intelligenz (Artificial Intelligence:
AI) zu Gehirn-Emulation steht?
Der AI-Ansatz, intelligente Maschinen zu bauen, ist sehr verschieden von
dem direkten Ansatz der Gehirn-Emulation, der im Mittelpunkt dieses Buches
steht.
Gehirn-Emulation ist viel mehr wie der Übertrag einer Software von einem
Rechner auf einen anderen Rechner. Um eine Software zu übertragen, braucht man
nur eine Software für den neuen Rechner zu schreiben, die dafür sorgt, dass der
neue Rechner die Rechner-Sprache des alten Rechners nachbildet. Man braucht
nicht zu verstehen, wie die Software, die man übertragen hat, funktioniert. Es
kann eine undurchsichtige schwarze Box (black
box) sein.
Die Standard-AI-Software hingegen ist viel mehr das Schreiben eines neuen
Software-Systems für den neuen Rechner, angespornt durch die Beobachtung, was
die Software auf dem alten Rechner leistet.
Robin Hanson ist Wirtschaftsprofessor
an der George Manson University und ein Research Associate im Future of Humanity Institute der Oxford University.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen